1988 erscheint in Rio de Janeiro 'O Alquimista' von Paulo Coelho. Dieses Buch wird ein Welterfolg.
Es wird in 61 Sprachen übersetzt, zig Millionen Mal verkauft - ein echter Renner.
Dieser Hype geht natürlich an mir vorbei, und ich ignoriere selig die deutsche Erstausgabe 1993.
Auch das immer größer werdende Opus von Herrn Coelho verführt mich nicht dazu, seine Bücher zu lesen. Das könnte durchaus mit der Art der - überschwenglichen - Kritiken zusammenhängen, z.B. für den 'Alchimisten':
"Der Alchimist ist eine Reise zur Weltenseele... ein glückbringender Wegweiser." (FAZ)
"Sagenhaft weise." (Corriere della Sera)
"Ein Buch, das Herz und Seele wärmt." (Bergensavisen)
"Ein weises, ein magisches Buch." (Welt am Sonntag)
"Ein sagenhafter Erfolg." (Der Spiegel).
Die 'Neue Zürcher' sprach von "einschlägiger Herzensbildung"... yep, genug gute Gründe, ein so erbauliches Werk links liegen zu lassen, nicht wahr?
Aber inzwischen wurde es mir empfohlen - von Menschen, die ich schätze. Und ich sage es gleich: Es ist nicht falsch, was Coelho schreibt - es ist nur ziemlich banal.
Es handelt sich nicht um einen Roman, sondern um eine als Märchen verkleidete 'Lebenshilfe'.
Der Held der Erzählung - Santiago, yep, der Heilige Jakob aus dem Neuen Testament, einer der zwölf Apostel und der Schutzpatron Spaniens, nach dem der Pilgerort Santiago de Compostela benannt ist, das Ziel des 'Jakobswegs' (über den der Autor zufällig auch einen 'Roman' geschrieben hat) - ist ein 'reiner, tumber Tor'. Ein armer Junge, der die Klosterschule verlassen hat, um als Schafshirte seinen Traum vom Umherreisen verwirklichen zu können. Er träumt von einem Schatz. Und auch, wenn er Santiago heißt (und nicht Heiliger Josef) - wer würde hier nicht sofort an den Sohn des biblschen Stammvaters Jakob, Josef, denken, der die Träume des Pharaos so schön zu deuten wußte, daß er damit sein Glück in Ägypten machte? Und tatsächlich - der Schatz befindet sich in seinem Traum bei den Pyramiden.
Coelho liebt solche Anspielungen. Er läßt Melchisedek auftreten, er beschwört die Hellsicht der Zigeuner, die Sprache des Herzens sowie der Weltenseele, und er greift tief in die Symbol- und Aufgabentruhe der Alchimie. Sein Santiago geht den Weg des Adepten - oder besser gesagt, er 'wird gegangen', denn Heerscharen von temporären spirituellen Führern sorgen dafür, daß die Grundthese des Buchs bewiesen wird: Wer glücklich werden will, muß seinem persönlichen Lebensweg folgen.
Dies erläutert Melchisedek:
"Es (der persönliche Lebensweg) ist das, was du schon immer gerne machen wolltest. Alle Menschen wissen zu Beginn ihrer Jugendzeit, welches ihre innere Bestimmung ist. In diesem Lebensabschnitt ist alles so einfach, und sie haben keine Angst, alles zu erträumen und sich zu wünschen, was sie in ihrem Leben gerne machen würden. Indessen, während die Zeit vergeht, versucht uns eine mysteriöse Kraft davon zu überzeugen, daß es unmöglich sei, den persönlichen Lebensweg zu verwirklichen.
Das sind die Kräfte, die uns schlecht erscheinen, aber in Wirklichkeit helfen sie dir, deinen persönlichen Lebensplan zu erfüllen. Sie entwickeln deinen Geist und deinen Willen, denn es gibt eine große Wahrheit auf diesem Planeten: Wer immer du bist oder was immer du tust, wenn du aus tiefster Seele etwas willst, dann wurde dieser Wunsch aus der Weltenseele geboren. Das ist dann deine Aufgabe auf Erden. ...
Die Weltenseele wird von dem Glück der Menschen gespeist. Oder vom Unglück, von Neid und Eifersucht. Unsere einzige Verpflichtung besteht darin, den persönlichen Lebensplan zu erfüllen. Alles ist ein Ganzes. Und wenn du etwas ganz fest willst, dann wird das gesamte Universum dazu beitragen, daß du es auch erreichst."
Damit hat Coelho gesagt, was er sagen wollte. Der Rest seiner Parabel dient der beispielhaften Darlegung dieser Maxime.
So weit, so gut. Er ist nicht der Erste, der das behauptet. "Do what Thou wilt", sagte beispielsweise Aleister Crowley... ohne allerdings damit ähnliche Begeisterungsstürme einer kulturell vorwiegend christlich geprägten Leserschaft auszulösen.
Und das ist es, was ich mich frage: Wenn 'L'Express' schreibt, daß dies "die Geschichte einer Selbstwerdung ist, die bleiernen Alltag in das Gold der Träume zu verwandeln vermag," woher kommt dieses - vielleicht doch etwas simplifizierend formulierte - Revival alter Mysterien? Ladies and Gentlemen, die 'Weltenseele', mit der wir untrennbar verbunden sind, und die magische Reise zum inneren Selbst sind nicht gerade die klassischen Pfeilder katholischer oder protestantischer Ethik - und doch liebt jeder dieses Buch.
Oder zumindest fast jeder.
Wie kommt das?
Es wird in 61 Sprachen übersetzt, zig Millionen Mal verkauft - ein echter Renner.
Dieser Hype geht natürlich an mir vorbei, und ich ignoriere selig die deutsche Erstausgabe 1993.
Auch das immer größer werdende Opus von Herrn Coelho verführt mich nicht dazu, seine Bücher zu lesen. Das könnte durchaus mit der Art der - überschwenglichen - Kritiken zusammenhängen, z.B. für den 'Alchimisten':
"Der Alchimist ist eine Reise zur Weltenseele... ein glückbringender Wegweiser." (FAZ)
"Sagenhaft weise." (Corriere della Sera)
"Ein Buch, das Herz und Seele wärmt." (Bergensavisen)
"Ein weises, ein magisches Buch." (Welt am Sonntag)
"Ein sagenhafter Erfolg." (Der Spiegel).
Die 'Neue Zürcher' sprach von "einschlägiger Herzensbildung"... yep, genug gute Gründe, ein so erbauliches Werk links liegen zu lassen, nicht wahr?
Aber inzwischen wurde es mir empfohlen - von Menschen, die ich schätze. Und ich sage es gleich: Es ist nicht falsch, was Coelho schreibt - es ist nur ziemlich banal.
Es handelt sich nicht um einen Roman, sondern um eine als Märchen verkleidete 'Lebenshilfe'.
Der Held der Erzählung - Santiago, yep, der Heilige Jakob aus dem Neuen Testament, einer der zwölf Apostel und der Schutzpatron Spaniens, nach dem der Pilgerort Santiago de Compostela benannt ist, das Ziel des 'Jakobswegs' (über den der Autor zufällig auch einen 'Roman' geschrieben hat) - ist ein 'reiner, tumber Tor'. Ein armer Junge, der die Klosterschule verlassen hat, um als Schafshirte seinen Traum vom Umherreisen verwirklichen zu können. Er träumt von einem Schatz. Und auch, wenn er Santiago heißt (und nicht Heiliger Josef) - wer würde hier nicht sofort an den Sohn des biblschen Stammvaters Jakob, Josef, denken, der die Träume des Pharaos so schön zu deuten wußte, daß er damit sein Glück in Ägypten machte? Und tatsächlich - der Schatz befindet sich in seinem Traum bei den Pyramiden.
Coelho liebt solche Anspielungen. Er läßt Melchisedek auftreten, er beschwört die Hellsicht der Zigeuner, die Sprache des Herzens sowie der Weltenseele, und er greift tief in die Symbol- und Aufgabentruhe der Alchimie. Sein Santiago geht den Weg des Adepten - oder besser gesagt, er 'wird gegangen', denn Heerscharen von temporären spirituellen Führern sorgen dafür, daß die Grundthese des Buchs bewiesen wird: Wer glücklich werden will, muß seinem persönlichen Lebensweg folgen.
Dies erläutert Melchisedek:
"Es (der persönliche Lebensweg) ist das, was du schon immer gerne machen wolltest. Alle Menschen wissen zu Beginn ihrer Jugendzeit, welches ihre innere Bestimmung ist. In diesem Lebensabschnitt ist alles so einfach, und sie haben keine Angst, alles zu erträumen und sich zu wünschen, was sie in ihrem Leben gerne machen würden. Indessen, während die Zeit vergeht, versucht uns eine mysteriöse Kraft davon zu überzeugen, daß es unmöglich sei, den persönlichen Lebensweg zu verwirklichen.
Das sind die Kräfte, die uns schlecht erscheinen, aber in Wirklichkeit helfen sie dir, deinen persönlichen Lebensplan zu erfüllen. Sie entwickeln deinen Geist und deinen Willen, denn es gibt eine große Wahrheit auf diesem Planeten: Wer immer du bist oder was immer du tust, wenn du aus tiefster Seele etwas willst, dann wurde dieser Wunsch aus der Weltenseele geboren. Das ist dann deine Aufgabe auf Erden. ...
Die Weltenseele wird von dem Glück der Menschen gespeist. Oder vom Unglück, von Neid und Eifersucht. Unsere einzige Verpflichtung besteht darin, den persönlichen Lebensplan zu erfüllen. Alles ist ein Ganzes. Und wenn du etwas ganz fest willst, dann wird das gesamte Universum dazu beitragen, daß du es auch erreichst."
Damit hat Coelho gesagt, was er sagen wollte. Der Rest seiner Parabel dient der beispielhaften Darlegung dieser Maxime.
So weit, so gut. Er ist nicht der Erste, der das behauptet. "Do what Thou wilt", sagte beispielsweise Aleister Crowley... ohne allerdings damit ähnliche Begeisterungsstürme einer kulturell vorwiegend christlich geprägten Leserschaft auszulösen.
Und das ist es, was ich mich frage: Wenn 'L'Express' schreibt, daß dies "die Geschichte einer Selbstwerdung ist, die bleiernen Alltag in das Gold der Träume zu verwandeln vermag," woher kommt dieses - vielleicht doch etwas simplifizierend formulierte - Revival alter Mysterien? Ladies and Gentlemen, die 'Weltenseele', mit der wir untrennbar verbunden sind, und die magische Reise zum inneren Selbst sind nicht gerade die klassischen Pfeilder katholischer oder protestantischer Ethik - und doch liebt jeder dieses Buch.
Oder zumindest fast jeder.
Wie kommt das?

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