Dieser Thread hier brannte mir eigentlich schon auf den Nägeln, seitdem ich in diesem Forum bin. Irgendwie fühlte ich mich selten bereit, hierzu etwas zu schreiben. Oft habe ich es versucht, ich denke, jetzt kann ich es tun. Nicht der Diskussion wegen, die ohnehin nur wieder in Fäkalsprache und Beleidigungen meiner Person enden wird, sondern einfach, um mein Gift dazu zu geben.
Ich muss vorausschicken, dass ich die letzten vier Jahre mit Selbstmordgefährdeten verschwendet habe. Ich benutze dieses Wort bewusst; denn jeglicher Ansatz (bei den meisten jener Personen) ist zum Scheitern verurteilt. Kontinuierlich habe ich mich über die Leier gesellschaftlich korrekter Trottel aufgeregt, welche sagten "Äh, Du willst ja nur Aufmerksamkeit". Aber, wenn man das "nur" weglässt, trifft es auf sehr viele sog. "kranke" Personen zu. Oftmals ist das eigentliche Gift die Diagnostik selbst. Nehmen wir einmal ein realistisches Beispiel (das teilweise sogar autobiographische Züge hat); da ist ein Mädchen (nein, ich war kein Mädchen *gg*) das Übergewicht hat. Alle bezeichnen sie als viel zu fett, diese süßen kleinen schlanken Menschenleins, die in ihrer Freizeit bockspringen um später mangelnde Potenz aufzuweisen. Nun, dieses Mädchen, nennen wir sie Eleonora, ist für ihr, eigentlich recht geringes, Übergewicht bereits seit dem Kindergarten in einer "Außenseiterrolle". Damit einher geht das Gefühl, nicht "akzeptiert" zu werden. Bei ihren Eltern hat sie sich abgeguckt, dass Akzeptanz das einzig wichtige ist. Also kommt sie zu einer Psychologin, die gleichzeitig auch als Ökotrophologin tätig ist. Die Diagnose lautet "Persönlichkeitsstörung aufgrund geringer Adipositas". Anstatt das Selbstbewusstsein der kleinen "Patientin" zu steigern, versucht die gute Ärztin das Mädchen zu motivieren, abzunehmen- denn es ist ja gänzlich unakzeptabel, dass man aus der Reihe fällt. Nein, bloß nicht. Und dann noch die vielen gesundheitlichen Störungen (die natürlich bei vergleichsweise leichter Adipositas nicht unbedingt gegeben sind). Nein, nein, nein, das kann und darf nicht sein.
Also kommt dieses Mädchen zu einer Kur, wo sie andere Menschen kennenlernt, die ebenjene Probleme haben. Sie lernt nette Menschen kennen, die ihr das Leid klagen; und schon sind wir mittendrin in der Opferrolle. Das Mädchen kommt von der Kur und hat 2 Kilo abgenommen. Zu wenig, aber ein Anfang. Alle in der Umgebung applaudieren, die Eltern freuen sich, ein ganz ganz toller Anfang auf dem Weg zur sozialen Korrektheit. Aber mit der Langeweile kommt das Essen und der Jhwh-Kreis beginnt von Neuem.
Sie fühlt sich schuldig, da sie es ja noch nicht einmal schafft, läppische sieben Kilo abzunehmen und sie schämt sich, in der Schule von den "Anderen" beleidigt zu werden, denn ihre Psychologin hat ihr ja beigebracht, dass "die Anderen" richtig liegen und sie tatsächlich eine Außenseiterin ist. Also beginnt es von neuem; ein weiterer Kuraufentalt jagt den Nächsten und was vorher noch natürliches Genussempfinden war, wird nun zum Zwang. Es waren wieder nur zwei Kilo, also stopft sie alles in sich hinein, was sie finden kann. Reinster Frust. Man mag sie ja sowieso nicht, alle hassen sie. Nun steht sie vor einem Kuchen und sieht das Kuchenmesser. Nun, man kann mit einem Messer doch andere Dinge tun, als nur den Kuchen anzuschneiden. Also führt sie das Messer an ihrem Arm und schon sind wir beim Thema selbstverletzendes Verhalten.
Anyway; die Karriere dieses Mädchens ist klar. Das überwiegende Problem ist ganz und gar nicht das Übergewicht oder das schlechte Gefühl, nicht "akzeptiert" zu werden. Es ist die Suggestion durch den "sozialen Kreis", der zu dieser Opferrolle führt. Niemand zeigt ihr (schon im frühem Alter) sich zur Wehr zu setzen, sich durchzusetzen, und so entsteht die Opferrolle. Vielleicht "hätte" sie irgendwann abgenommen. Vielleicht hätte sie es als Spaß gesehen; entweder es klappt, oder es klappt nicht. In diesem Falle ist es aber nur Zwang, der sie bei der Opferrolle verbleiben lässt.
Krankhafte Adipositas z.B. ist nur deswegen so verbreitet, weil es ebenjene Opferrolle gibt. Diese lässt sich auf viele andere psychische Störungen implizieren.
Wenn Du einer Person erst einmal bescheinigt, dass sie krank ist, kann sie auch darüber jammern, weil sich die Selbstwahrnehmung als Opfer gefestigt hat.
Eine Vergewaltigung ist ein schlimmer Einschnitt in das persönliche Leben. Deswegen sollte man an dem Selbstvertrauen der Opfer arbeiten, damit sie diesen Status bald überwinden. Stattdessen scharrt man sie in "Selbsthilfegruppen" zusammen, wo gerade diese Opferrolle noch verstärkt wird und sich in allen möglichen Formen und Facetten psychischer Störungen manifestieren kann.
Die meisten Suizidgefährdeten, die ich kennengelernt habe, (vor allem aber jüngere Menschen), delektieren sich in ebenjener Masse aus Selbstmitleid, welches jegliche Chance auf Veränderung im Keim erstickt. Es gibt auch Ausnahmen; das sind oftmals Personen, die einfach nur die Menschen hassen und die sich chronisch langweilen. In der Regel ist bei einigen Leuten noch eine gewisse Liebe zu sich selbst da; die meisten Selbstmordankündigungen werden nicht ausgeführt, da man sich, aufgrund des Schreibens eines Abschiedsbriefs, erst einmal über die Tragweite der damit verbundenen Handlung bewusst wird.
Um aber einmal eine knappe Antwort zur Ausgangsfrage zu formulieren (für all jene, die alles "zusammengefasst" haben wollen- nicht, dass man mir nachher wieder ans Bein pinkelt, was aber ohnehin passieren wird); die "Akzeptanz" in der Gesellschaft spielt heute wieder eine übergeordnete Rolle. Mehr noch, sie wird von Sozialarbeitern und vielen Psychologen aufs höchste verehrt. Wir leben in einer Gesellschaft, die Außenseiter am laufendem Band produziert und, vor allem das, "bewertet". Aufgrund dieser Bewertung fliehen viele Jugendliche in eine Opferrolle, die güngstigstenfalls Selbstmitleid, schlimmstenfalls selbstzerstörerische Verhaltensweisen und psychische Störungen nach sich zieht. Auch die Erziehung der Eltern ist ein Kritikpunkt. Kinder sind ein Schlachtfeld pädagogischer Lehrmeinungen. Und solche Schundsendungen wie "Die Super-Nanny" werden viel zu sehr konsumiert. Denn hier lernen junge Eltern, dass sie ihrem Kind nicht die Freude am Leben beibringen, sondern Verbote und "Regeln" einprügeln. Auch ein sehr guter Highway auf dem Weg zur ewigen Opferrolle. Das ist also, m.E., eine Art "Kardinalsauslöser" für psychische Krankheiten und Probleme.
Anmerkung: Mit der oben genannten Formulierung, jeglicher Ansatz sei zum Scheitern verurteilt, meine ich den Ansatz eines Laiens, was, bei den meisten psychischen Störungen, auch Sozialarbeiter einschließt. Zwar sind jenige in der Lage zu vermitteln, man sollte sie jedoch nicht auf das weite Feld der Psychologie loslassen. Davon abgesehen sind viele Therapien i.d.R. erfolglos. Eine erfolgreiche Therapie benötigt eine gute Bindung zwischen Psychologe/Psychiater und Patient. Diese ist, bedauerlicherweise, in sehr vielen Fällen nicht gegeben.