Eine Geschichte, die etwas Weihnachtliches hat

    • Eine Geschichte, die etwas Weihnachtliches hat

      Eine Geschichte, die etwas Weihnachtliches hat

      Es war Heiligabend, die Familie saß im großelterlichen Wohnzimmer an einem langen Tisch, und die Kinder glaubten noch an den Weihnachtsmann. Man aß zu Abend, es gab wie jedes Jahr Weißwürstchen mit Sauerkraut und Kartoffelbrei, und es ging auf fünf Uhr zu, die traditionelle Bescherungszeit der Familie. Die Bescherung richtete, wie es sich von selbst verstand, jedes Jahr der Weihnachtsmann an, den jedes Jahr der Opa spielte. Doch dieses Jahr nicht, denn er war schon senil. Dieses Jahr machte er keine Anstalten, unter dem Vorwand, aufs Klo gehen zu müssen, sich aus dem Wohnzimmer zu entfernen, um maskiert die Kinder zu beschenken. Die wurden langsam unruhig. Es war bereits viertel sechs, und niemand Maskiertes hatte sie beschenkt. So weit hatten sie das System schon durchschaut, dass sie erkannten, dass da was nicht mit rechten Dingen zugehen konnte.
      Auch die Eltern wurden unruhig. Jemand Maskiertes hätte längst ihre Kinder beschenkt haben sollen. Immer wieder schauten sie zum Opa herüber, versuchten ihm subtil zu verstehen zu geben, dass er jetzt wohl bald mal seine Pflicht erfüllen möge. Doch der senile Alte kaute seinen Kartoffelbrei und lächelte sanft in die Runde. Die Eltern wussten nicht, wo der Sack mit den Geschenken und das Weihnachtsmannkostüm sich befanden, daher waren sie auf Opas Kooperation angewiesen. Auch Oma konnte ihnen nicht helfen, da sie zwar nicht senil, aber schon tot war. Da sie nicht offen reden konnten – sie hätten den Kindern den Mythos Weihnachtsmann zerstört – versuchten die Eltern es über verschlüsselte Botschaften, deren Bedeutung sich dem Opa aber entzog. Auch als sie ihm gegens Schienbein traten, tat er dies lächelnd als schelmische Neckerei ab.
      So saßen sie also da: die unruhig zappelnden Kinder, die sich zurückzuhalten versuchten, weil der Weihnachtsmann artige Kinder mehr zu schätzen wusste, die Eltern, die dem Opa vor die Schienbeine traten, und der Opa, den das ungemein freute. Allesamt Opfer der Etiquette, außer Opa. Aus vollkommener Verlegenheit aß man schließlich auf und verabschiedete sich höflich. Als sich gegenseitig schöne Weihnachtsfeiertage gewünscht wurden, zuckte es jedem bis auf Opa im Gesicht.
      Dann machten Eltern und Kinder sich auf den Heimweg, und als sie erst ein paar Straßen weit gekommen waren, kam aus einer Seitengasse ein Löwe gesprungen, der feierlich verkündete, er wolle die Familie, weil ihr ja die Bescherung ausgefallen war, mit Reichtümern überhäufen, was er dann auch tat.
      YO YO YO WHAT GOES
    • Original von Lord Braindead
      ich raff nich was der löwe da schon wieder will :think: :dreh:


      Geht mir genauso...Wieso hat er die Familie nich gefressen?
      Und nun finde ich mich selbst, tief unten in der Dunkelheit


      "Unsterblich zu sein ist nichts Besonderes; vom Menschen abgesehen sind es alle Geschöpfe, da sie den Tod nicht kennen"
    • Naja erst sieht man dieses starre Weihnachten und wie gefangen man doch ist und vor allem wie hilflos die Eltern da stehen. Aber dann kommt der scheiß Löwe und macht noch ein Happy End am Ende. DAS finde ich doof. Damit hast du die Theorie von jemandem bewiesen, dass alle Weihnachtsgeschichten irgendwie am Ende total kitschig sind... :xx:
      +++ Rege Satanas! +++
      +++ Ave Satanas! +++
      +++ Heil Satan! +++
    • Ein Künstler erklärt sich nicht

      Die Familie achtet nur auf Etiquette und will gewährleisten, dass äußerlich alles abläuft, wie es soll. Niemand traut sich zu sagen, was er eigentlich sagen will. Das geht so weit, dass sie schließlich alle, ohne sich zu beschweren, ohne Geschenke (!!1!) abziehen. Doch dann werden sie für ihre Duckmäuserigkeit belohnt. Von wem? Vom Löwen. Wie ihr schon selbst festgestellt habt, ist es allumfassend absurd, dass mal eben ein Löwe auftaucht und einen auch noch mit Reichtümern überhäuft (auch wenn Weihnachten ist). Letztendlich soll der Löwe also durch seine Absurdität nur die Moral der Geschichte verstärken. Wenn man nicht sagt, was man will, soll man sich nicht wundern, wenn man es nicht kriegt, und es wird auch definitiv kein Löwe daher kommen und einen mit Reichtümern überhäufen. Die Geschichte ist also Pro-Demonstration und möchte das Umwälzen aller Gesellschaftsstrukturen bewirken und den Tod der Waschbärpopulation der nordwestlichen Hemisphäre.
      YO YO YO WHAT GOES

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von The Poop Rapist ()

    • am anfang hab ich erst mal nix gepeilt, aber dann kams...

      schlichtweg genial!

      Herzlichen Glückwunsch, Herbstelfe!

      schonmal was von slam poetry bzw poetry slam gehört?

      das wär genau das richtige für dich!

      die besucher dieser wettbewerbe können auch mitstreiter sein:
      man denkt sich zu hause irgendwas aus, was man ohne irgendwelche hilfsmittel vortragen kann, und tut das dann auch.
      eine jury oder das puplikum, je nachdem, entscheidet, wer den besten vortrag geleistet hat. der bekommt meistens ein preisgeld.

      die wichtigste regel ist im prinzip nur, dass die geschichte/das lied/der witz/irgendwas selbstgeschrieben sein muss.

      an deiner stelle würd ich da mal mitmachen,
      du kannst was aus deinem talent machen!