Neue Antwort erstellen

Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

Neu erstellte Beiträge unterliegen der Moderation und werden erst sichtbar, wenn sie durch einen Moderator geprüft und freigeschaltet wurden.

Die letzte Antwort auf dieses Thema liegt mehr als 365 Tage zurück. Das Thema ist womöglich bereits veraltet. Bitte erstellen Sie ggf. ein neues Thema.

Informationen
Sicherheitsabfrage („reCAPTCHA“)
Nachricht
Maximale Anzahl an Dateianhängen: 10
Maximale Dateigröße: 1 MB
Erlaubte Dateiendungen: bmp, gif, jpeg, jpg, pdf, png, txt, zip
Internet-Adressen werden automatisch erkannt und umgewandelt.
Smiley-Code wird in Ihrer Nachricht automatisch als Smiley-Grafik dargestellt.
Sie können BBCodes zur Formatierung Ihrer Nachricht nutzen.

Vorherige Beiträge 20

  • Original von quigor
    ad Atmans Wille: Frag mich nicht, wie - aber definitiv, er hat!

    Halte ich fuer unmoeglich. Was definierst du als Wille?
    Schau, ich gehe von meiner Welt aus: die Obliteration alles Wollens befreit dich aus dem Rad. Nur wer nur noch ist, ist nicht mehr. Ich weiss, das Folgende ist ein nicht konstruktiver Beweis: mit einem Willensbehafteten Atman handelt sich meine Sichtweise mehrere Probleme ein, so z.B. was einen Willen hat, hat ein Streben. Was strebt, wird notwendigerweise ein Ende haben. Das widerspricht der Unsterblichkeit deines Brahmans und meiner Idee des Nirvana.

    ad 'Boese Menschen sind so': Ja. Das findet man mehr oder weniger überall, wenn man danach sucht. Auch bei den Indern. Man kann sich höchstens darüber streiten, ob das nun zu den "gehobenen" oder "primitiven" Teilen der Lehre gehört.

    Ich schaetze diesen Fatalismus, aber er treibt mich zur Verzweiflung. Deswegen liebe ich diesen "there's a buddha in everyone"-Teil so.

    Keine Ahnung. Aber wenn es so ist, kann man es nicht ändern. (Sorry für Fatalismus)

    Stand still and let the world move around you.

    np: Schiller - Traeume und Sehnsuechte
  • Original von quigor
    der gute Mann spricht vom "wahren Willen" des Atman - und den "lernst" Du nun einmal nicht.

    Ich möchte diese Aussage korrigieren und mich entschuldigen für die Verbreitung falscher Ansichten: Ich habe in der Zwischenzeit einmal nachgelesen und keinen einzigen Hinweis darauf gefunden, daß Schopenhauer den "Willen" jemals anders verstanden hätte als in seiner ursprünglichen Definition im zweiten Buch von "Die Welt als Wille und Vorstellung" - dieser Begriff hat offenbar keinerlei Transformation erfahren, weder im dritten Buch über die Kunst, noch im vierten Buch über die "Bejahung und Verneinung des Willens zum Leben bei erreichter Selbsterkenntnis".

    Immer wird der Wille als Wille zum Leben, als Trieb, der Befriedigung sucht, gesehen. Er resultiert aus dem Bedürfnis, dem Mangelzustand, und damit dem Leiden (weil der Wille gehemmt wird, und weil jede Befriedigung für das Ende des Genusses sorgt) - somit ist er eine ursprüngliche und endlos strebende Kraft, die keine Ruhe finden kann. Und obwohl er im Willen eine absolute Naturkraft sieht (auch die Schwerkraft ist "Wille"!), setzt er ihn beim Menschen mit dem Charakter gleich - der sich auch bei geänderter Erkenntnis nicht ändert, seiner Ansicht nach, das tut nur das Handeln, und somit kann auch nur Handeln bereut werden, nicht aber der dahinterstehende Wille.

    Schopi sieht den Menschen als eine Kreatur, die permanent mit der Befriedigung seiner Bedürfnisse beschäftigt ist, also den "Willen" bejaht, der von keiner Erkenntnis gestört wird, also egoistisch durch und durch (womit er Recht hat!).
    Nur in der Überwindung des "principium individuationis" und damit des Egoismus, kann Maja durchschaut werden: Tat twam asi. Wer erkannt hat, daß im anderen dasselbe Wesen wohnt wie in ihm selbst, hat die Motivation, seinen eigenen Wille zu zügeln: Hier kommt nun die Askese ins Spiel, das Aufgeben eigener Genüsse, um anderen zu helfen. Mitleid, also die Wahrnehmung fremden Leids, ist für Schopenhauer die höchste Form der Liebe, die uns dann selbst erlöst, indem wir unseren eigenen "Willen" (zum Leben, und damit alle Triebe) aufgeben.
    Schopi wünscht also eine "Mortifikation" des Willens - der als solcher nicht wandelbar ist. Nur in gänzlicher Willenlosigkeit liegt "Heiligkeit", und damit innere Ruhe.

    BÖSE ist die übermäßige Bejahung des (eigenen) Körpers und das Beharren auf dem principium individuationis - also mal taxfrei fast die ganze Menschheit.
    Zwischen böse und gut liegt GERECHT: Hier wird im fremden Willen der eigene Wille wiedererkannt und daher respektiert.
    GUT hingegen ist nur die Erkenntnis des "Tat twam asi" mit der daraus resultierenden Abtötung des Willens.

    Nun, Herr Schopenhauer wird gewußt haben, wovon er spricht: Er selbst war dem "Willen" ausgesprochen zugewandt: geldgierig und sinnlichen Genüssen nicht im geringsten abgeneigt. Er war sehr von sich selbst überzeugt und dürfte ein gewisses Problem mit dem Empfinden der von ihm so gerühmten reinen Liebe gehabt haben: Er hat seine Mitmenschen nämlich größtenteils verachtet (klar, alles egoistische Biester, die in der Täuschung gefangen sind.. aber wo blieb sein Mitlied?). :P

    Also, Conclusio: nix "wahrer Wille des Atman", Schopenhauers Wille ist ausschließlich der "Wille zum Leben", und damit Fressen, Ficken und alles aus dem Weg räumen, was dem entgegensteht.
  • Original von MoD3000
    "Der wahre Wille" ist eine merkwuerdige Sache. Wie kann so etwas fluxartiges wie Atman einen "Willen" haben?

    Frag mich nicht, wie - aber definitiv, er hat!

    Das eigentlich kritische, das sich hinter dieser Aussage verbirgt: Schopenhauer nimmt an, dass es "Boese" Menschen gibt, die "nicht anders koennen" als grausam zu sein, was ihnen schlechterdings in die Wiege gelegt wurde.

    Ja. Das findet man mehr oder weniger überall, wenn man danach sucht. Auch bei den Indern. Man kann sich höchstens darüber streiten, ob das nun zu den "gehobenen" oder "primitiven" Teilen der Lehre gehört.

    Das bezweifle ich. Ich kann mit schlechtem Karma leben - aber die Aussicht, dass ein Mensch gleichsam "verdammt" ist, die ist mir unertraeglich eben weil fatalistisch.

    Keine Ahnung. Aber wenn es so ist, kann man es nicht ändern. (Sorry für Fatalismus)
  • "Der wahre Wille" ist eine merkwuerdige Sache. Wie kann so etwas fluxartiges wie Atman einen "Willen" haben? Das eigentlich kritische, das sich hinter dieser Aussage verbirgt: Schopenhauer nimmt an, dass es "Boese" Menschen gibt, die "nicht anders koennen" als grausam zu sein, was ihnen schlechterdings in die Wiege gelegt wurde. Das bezweifle ich. Ich kann mit schlechtem Karma leben - aber die Aussicht, dass ein Mensch gleichsam "verdammt" ist, die ist mir unertraeglich eben weil fatalistisch.
  • Original von MoD3000
    Ich habe einen anderen, wesentlich kritischeren Punkt, den ich gerne zur Sprache bringen moechte:
    Von Aussen ist, wie schon gesagt, dem Willen immer nur durch Motive beizukommen: diese aber aendern bloss die Art wie er sich auessert, nimmermehr ihn selbst. Velle non discitur

    Lese ich da einen gewissen Fatalismus? Kann man das so lesen, dass der Anstoss zur Selbstveraenderung nur von innen kommen kann? Das wirft mir gewisse Probleme in den Weg: wenn sich von aussen doch nur das Motiv aendern laesst, wie lernen wir dann? Das waere mit Kant ja nur noch die abstrakte Geistesschau, die uns bleibt.

    Ich verstehe weder, was an dem Punkt kritisch, noch was an der Aussage fatalistisch sein soll.

    Klar "wird das Wollen nicht gelernt", der gute Mann spricht vom "wahren Willen" des Atman - und den "lernst" Du nun einmal nicht.
  • Das musst du in den Kontext setzen. (was ein Spruch :P )
    Schopenhauer sagt, wer Mitleid "vorspiegelt", weil ihn etwas treibt, ausser dem Beduerfnis zu helfen, handelt nicht "rein". Wer also nach einer Belohnung strebt, handelt eigennuetzig, was einem Verwirklichten nicht denkbar waere (hat er doch alles erreicht).

    Ich habe einen anderen, wesentlich kritischeren Punkt, den ich gerne zur Sprache bringen moechte:
    Von Aussen ist, wie schon gesagt, dem Willen immer nur durch Motive beizukommen: diese aber aendern bloss die Art wie er sich auessert, nimmermehr ihn selbst. Velle non discitur

    Lese ich da einen gewissen Fatalismus? Kann man das so lesen, dass der Anstoss zur Selbstveraenderung nur von innen kommen kann? Das wirft mir gewisse Probleme in den Weg: wenn sich von aussen doch nur das Motiv aendern laesst, wie lernen wir dann? Das waere mit Kant ja nur noch die abstrakte Geistesschau, die uns bleibt.
  • Original von MoD3000
    Wir schliessen: Schopenhauer folgert aus der Eins-Erkenntnis, dass die Entgrenzung automatisch die Emphase und das Mitleid folgt - als Verkoerperung des letzten Bewusstseins.
    Und so bekommt das Motto auf dem Einband seinen Platz:
    Das Mitleid hebt die Mauer zwischen du und ich auf.


    Genau und dann schließt sich der Kreis wieder:

    Um die Motivation zu erlangen, das Wohl eines anderen zu erreichen, erfordert es eine Art Identifizierung mit dieser Person.
    Dies beinhaltet jedoch die Anteilnahme an dessen Leid.
    Original von jag: Denn diese Empathie, sorry, Mitleid, welche ja alleinige Grundlage der Moral sein soll, beruht laut Schopenhauer ja weder auf Erziehung, noch auf Bildung oder Religion. Sie liegt vermutlich eindeutig in der Natur des Menschen selbst begründet. Da dieses Mitleid schon zum Menschen an sich gehört, wird es ja sogar als ein ethisches Urphänomen bezeichnet...

    Das "ICH" und das "DU" werden durch das Mitleid miteinander vereint. Dabei wird der Egoismus überwunden, was ein Verhalten zu Folge hat, bei dem nicht lediglich das eigene Wohl, sondern auch das des anderen von Interesse ist.

    Nach Schopenhauer schließt Mitleid den Egoismus des Menschen völlig aus.
    Damit wird die Grundlage, zu ethischem Handeln geschaffen.
    Anders ausgedrückt: Mitleid ist die Grundlage jeder Ethik, Egoismus kann nie moralisch sein.
    Im Umkehrschluss dazu (hier kommt nun endlich der von MoD angeführte Begriff des "Axiomensystems" zur Sprache), ist eine Ethik, bei der es nur um das Wohl des eigenen Lebens geht, keine Ethik, sondern purer Egoismus.

    Um diese Aussage zu verifizieren, möchte ich folgendes Zitat Schopenhauers anführen:
    "Mitleid ist das Fundament der Menschenliebe, der Gerechtigkeit und der Ethik...natürliche, uneigennützige und allein wirklich moralische Triebfelder ethischen Handelns. Es ist damit die Basis einer jeden Tugend."

    Demnach kann Mitleid meiner Meinung nach, als Teilnahme am Leiden anderer verstanden werden, als eine Art allumfassendes Mitgefühl, welches Schopenhauer in den Mittelpunkt seiner Lebensphilosophie stellte.
    Dabei geht es nicht darum, andere zu "bemitleiden", sondern teilzuhaben an ihrer Art des leidenden Daseins.
    Wenn Mitleid die einzig positive Kraft für die Ethik sein soll, so kann davon ausgegangen werden, dass Schopenhauer Leidenverminderung als notwendiger ansieht, als eine Glückssteigerung. Das Mitleid meint ja, dass das Leid des anderen zum eigenen werden soll.

    Ethik sucht demnach nicht nach dem besten, zufriedensten Leben, sondern nach dem kleinsten Übel, welches in einer Minderung des Bösen oder Schlimmen liegt, nicht nach der Vermehrung des Guten.

    Niemandem zu schaden ist demnach der abolute Grundsatz, Schopenhauers Ethik (und dabei bezieht er die tierischen Geschöpfe mit ein, was MoD auch zitiert hat). Was man anderen Gutes tun kann, das kann nur in der Minderung ihres Leides bestehen...

    :) :) :)

    Edit: Sorry quigor, hab Dein post zu spät gesehen..... :)
  • Klar, Schopenhauer spricht von "verwirklichten Meistern" und nichts anderem, da gehe ich völlig d´accord mit Dir und mit ihm.

    Aber hier irrt er:
    Das Mitleid hebt die Mauer zwischen du und ich auf.

    Es ist meiner Meinung nach umgekehrt: Wenn die Mauer zwischen ich und du aufgehoben hast, dann ist wahre Empathie möglich.

    Dagegen Mitleid sozusagen als Heilsweg zur Erleuchtung wird zur Heuchelei führen.
  • Ok, back on the track.

    Ich moechte in meiner Betrachtung nun von hinten beginnen: ganz am Schluss seiner Abhandlung, auf Seite S.142 meiner Ausgabe heisst es "Zur Ethik". Hier spricht nun ganz der Missionar, der sich in diesen Seiten offenbart. Darin heisst es:
    Die Leser meiner Ethik wissen, dass bei mir das Fundament der Moral zuletzt auf jener Wahrheit beruht, welche im Veda und Vedanta ihren Ausdruck hat an der stehend gewordenen mystischen Formel tat twam asi, welche mit Hindeutung auf jedes Lebende, sei es Mensch oder Thier, ausgepsrochen wird und dann die Mahavayka, das grosse Wort, heisst.

    Er faehrt fort:
    Jede, in reiner Absicht erzeigte Wohlthat giebt kund, dass Der, welcher sie ausuebt, im geraden Widerspruch mit der Erscheinungswelt, in welcher das fremde Individuum von ihm ganzlich gesondert dasteht, sich als identisch mit demselben erkennt.

    Und hier erkennen wir, was Schopenhauer meint: diese Erkenntnis bahnt den Weg in seine Gedanken, die Erkenntnis des Brahman, die Einheit der Dinge sei notwendig (ja, hinreichend?) fuer den Ausfluss des Mitleids. Schopenhauer definiert hier einen Moralbegriff fuer Vollendete. Das scheint seinen Geist allerdings der Realitaet etwas enthoben zu haben, heisst es bei ihm doch:
    Denn erstlich spreche ich hier nicht zu Kindern, noch zum Volke, sondern zu einer erleuchteten Akademie, deren rein theoretische Frage auf die letzten Grundwahrheiten der Ethik gerichtet ist, und ide auf eine hoechst ernsthafte Frage auch eine ernste Antwort erwartet[...]

    Schopenhauer fuehrt weiter aus:
    Es giebt in der That zwei entgegengesetzte Weisen, sich seines eigenen Daseyns bewusst zu werden: ein Mal, in empirischer Anschauung, wie es von aussen sich darstellt, als eines verschwindend kleinen, in einer, der Zeit und dem Raume nach, graenzenlosen Welt; - dann aber, indem man in sein eigenes Inneres sich versenkt und dadurch sich bewusst wird, Alles in Allem und eigentlich das wirkliche Wesen zu seyn, welches, zur Zugabe, sich in den andern, ihm von aussen gegebenen, nochmals, wie im Spiegel, erblickt. Dass nun die erstere Erkenntnissweise bloss die durch das principium individuationis vermittlete Erscheinung erfasse, die andere aber ein unmittelbares Innewerden seiner selbst als des Dingens an sich, - ist eine Lehre, in der ich, der erstern Haelfte nach, Kanten, in beiden aber den Veda fuer mich habe.


    Wir schliessen: Schopenhauer folgert aus der Eins-Erkenntnis, dass die Entgrenzung automatisch die Emphase und das Mitleid folgt - als Verkoerperung des letzten Bewusstseins.
    Und so bekommt das Motto auf dem Einband seinen Platz:
    Das Mitleid hebt die Mauer zwischen du und ich auf.