Kultur des Morbiden-die Abstumpfungsgefahr

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    • Kultur des Morbiden-die Abstumpfungsgefahr

      Ich weiß, der Titel des Thread klingt bestimmt etwas reißerisch. Aber ich möchte auch genau darauf eingehen.
      Auf den Umgang mit Themen des Schaurigen.
      Ich möchte angeregt durch die letzten Sätze Tiwjaz in dem 01:42 Uhr-Thread ( 01:42 Uhr oder so ) eine Diskussion zu der Fragestellung eröffnen ob das was gemeinhin als Morbide oder abstoßend empfunden wird in der Fiktion die Seele ruiniert. Wir in diesem Forum als Personen, die allgemein wahrscheinlich eine gewisse Faszination für Bereiche aufweisen, die zum Beispiel von Menschen wie meiner Mutter alles Andere als geteilt würden wie ich denke, werden doch durchaus gerne danach bewertet. Ich denke gerade an die Vorwürfe der Zerstörung der Seele und Unschuld in den 50er Jahren in Amerika als schließlich auch eine Zensur stattfand um zu gewährleisten, dass die Jugend ( und wahrscheinlich ebenso auch andere Altersgruppen ) mit Horror nicht in Verbindung kommen sollten. Aber ist unsere Kultur nicht an und für sich bereits dunkel? Ich hatte vor einiger Zeit einen Thread zu der Epoche der Romantik eröffnet und Werke wie Jene von Ernst Theodor Amadeus Hoffmann oder die Märchen von Hans Christian Andersen sind gemeinhin nicht wirklich für ihr strahlendes sonniges Gemüt bekannt. Der Naturphilosoph Aristoteles war der Meinung, dass fiktive Grausamkeit reinigt aber Reale den umgekehrten Effekt hat. Nun gibt es Menschen, die dem ansonsten nicht wenigen Wissenschaften den Anstoss gebenden Mann in diesem Punkt wiedersprechen. Deshalb frage ich nun euch wie ihr darüber denkt. Ich persönlich vermute, dass das Ergebnis recht einheitlich ausfallen könnte aber ich bin auch gerade an der Argumentation sehr interessiert. Ich meine warum macht die Fiktion die Seele nicht kaputt oder warum, wenn ihr anderer Meinung seid, greift das was man als schauerlich empfindet das Gemüt an?
      Aber welche Begründung steht überhaupt hinter dem Interesse an sagen wir einmal dem Genre des Horrors?
      Das ist eine Frage, die mich gerade bewegt und ich bin mir nicht sicher ob ich sie für mich zufriedenstellend klären kann. Hätten wir uns nicht mit der menschlichen Schattenseite auseinandergesetzt hätte es dann überhaupt die Psychologie oder die Forensik gegeben?
      Was passiert wenn ich mich an dem Schaurigen gewöhne? Kann man sich überhaupt daran gewöhnen? Ich merke an mir selber, dass Jenes was mich als Kind erschreckte mich heute wohl nicht mehr derart berührt.
      Ich muss einmal auf das Thema Amoklauf eingehen. Ich weiß nicht nach Welchem es geschah aber ich stieß auf einen Kommentar im Internet, an den ich mich noch erinnere: Darin schrieb ein wohl männlicher Mensch, dass der Amokläufer nicht an Robert Steinhäuser herankäme. Und ich habe mich gefragt wie man das schreiben kann. Es ist doch kein Spiel, kein Wetteinsatz oder ein Film. Würde er seine Meinung auch so formulieren wenn ihm nahestehende Personen von dem Ereignis betroffen worden wären? Scheinbar war das wohl nicht der Fall. Ich möchte eure Meinung dazu wissen.
      Mea Culpa: "Ich glaube, du bist von uns Beiden der mit den vielen Ideen..."
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    • RE: Kultur des Morbiden-die Abstumpfungsgefahr

      Ein sehr gutes Thema. Ich glaube, dass die Abstumpfungsgefahr von Mensch zu Mensch bzw. von Psyche zu Psyche variiert. Ich sehe mir schon seit einer Ewigkeit Horror/Splatter-Filme an, jedoch würde ich mich nicht von einem realen Unfall, Amoklauf oder Krieg unterhalten fühlen, im Gegenteil, so was schockiert mich um einiges mehr, als es Filme könnten.

      Bei gewalthaltigen Filmen ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass das Ganze nur Fiktion ist, man sieht niemanden real beim sterben zu, auch wenn nicht wenige Filme auf realen Begebenheiten basieren.
      Aus diesem Grund sehe ich mir auch kaum Nachrichten an: Dort ist die Gewalt real, doch die Kameras halten voll drauf, das Volk will „Informiert“ werden (Brot und Spiele lassen Grüßen...). Irgendwann kommt man dann zu dem Punkt, an dem man die reale Gewalt in der Welt als gegeben und „normal“ ansieht und mit einem Schulterzucken akzeptiert.

      Ich habe vor kurzen einen Dokumentation über Snuff und extreme Pornofilme gesehen, dort hatte ein Psychologie gesagt, dass die Menschheit immer mehr zum „Extremen“ driftet und die Filme deshalb auch immer „extremer“ werden, damit sich die Bevölkerung an fiktiven Gewalttaten befriedigt und nicht selbst reale Gewalttaten begeht. Ich glaube, dass kann man so stehen lassen.

      Wir leben zurzeit Medientechnisch in einer sehr „heiklen“ Zeit: Wirtschaftskrisen, „Konflikte“ in nah Ost, augenscheinlich mehr Leute, die durchdrehen (soweit ich informiert bin, ist die Statistik aber stabil, nur die Medien sind „Interessierter“) und Leistungsdruck von allen Seiten. Es heißt immer höher, schneller, weiter, da bieten Gewaltfilme ein gutes Ventil. Filme, in denen die Welt noch dunkler und brutaler scheint, als sie tatsächlich ist. Man soll denken: Es könnte auch schlimmer kommen, zum Glück bin ich nicht der Typ in dem Film!

      Ich finde es jedoch furchtbar, wenn die fiktionale Gewalt als Mittel zum Zweck mutiert. SAW ist ein gutes Beispiel: Teil Eins war ein gelungener Thriller, die Gewalt war da, aber nicht überpräsent, der Film lebte von der Geschichte und nicht von der Gewalt. Bei Teil Zwei nahm der Gewaltpart zu, doch es störte die Menschen nicht, im Gegenteil, sie verlangten nach mehr, sie waren gespannt, wie man die Brutalität toppen könnte, die Story wurde nebensächlich, es sollte nur noch brutalere Fallen erschaffen werden.
      Natürlich könnte jetzt jemand sagen: „Hey, Ragnar meckert über „storyfreie“ Gewalt, zieht sich aber massenweise Zombiestreifen rein!“
      Ich muss zu meiner Verteidigung sagen, dass Zombiefilme immer einen ungefähr gleich bleibenden Level an Gewalt haben. Die Grenzen wurden im Prinzip von Romero gesteckt und werden nur selten überschritten. Man wird in einem Zombiefilm nie erleben, wie ein Zombie jemanden aus Spaß quält und foltert (in den konventionellen Filmen jedenfalls). Außerdem ist der Zombie ein schönes (?) Spiegelbild für den Menschen: Er wandert herum, weiß nicht so recht warum er da ist, er ist besessen (der Zombie vom Hunger, der Mensch vom Geld, von Drogen, von Sex, von Macht usw.).

      Abschließend bleibt zu sagen, dass die Gewalt in Filmen noch mehr zunehmen, aber den Menschen nicht abstumpfen lassen wird. Die Filme sind (oft) nur ein Ventil, um die Welt „da draußen“ zu verdauen.
      Hoffentlich bin ich nicht zu weit vom Thema abgedriftet...
      mors est quies viatoris
      finis est omnis laboris
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    • RE: Kultur des Morbiden-die Abstumpfungsgefahr

      Original von Ragnar
      [...]
      Abschließend bleibt zu sagen, dass die Gewalt in Filmen noch mehr zunehmen, aber den Menschen nicht abstumpfen lassen wird.
      [...]

      Nähme man Saw dafür als Beispiel, würde das aus meiner Sicht stimmen.
      Saw war - für mich zumindest - ein ganz neuer Film mit einer ganz neuen Idee. Ich habe noch nie einen ähnlichen Film gesehen. Es ist verständlich, dass der Grad der Gewalt durch die neue(n) Situation und Hintergründe des Geschehens zuerst höher ist. Doch schaut man sich den Film nochmal an, berührt er einen nicht mehr so stark, man kennt das ja alles schon. Also will man im nächsten Teil mehr Gewalt sehen. Die Produzenten müssten also den 'Effekt des Neuen' mit mehr Gewalt kompensieren. Das bedeutet, dass man nicht abstumpft, sondern es langweilig findet, weil man es schon kennt. Bei einem typischen Horrorfilm gilt das aber nicht, denn da fehlt ja 'das Neue'.
      Auf die anderen Filme, mit schon bekannten Ideen, bezogen finde ich, dass man sehr wohl abstumpft und die Gewalt in Filmen zunimmt, um den Leuten wieder mehr Anreiz zu bieten. Das habe ich zumindest bei mir beobachtet.
      We're society's only protection.

      Ein Mensch, der für nichts zu sterben gewillt ist, verdient nicht zu leben.
      Martin Luther King
    • @ Ragnar

      Ich danke dir. Ich denke, da ist viel dran was du beschreibst. Gerade die Erklärung zu dem Zombie als Spiegelbild des ( konsumierenden ) Menschen habe ich als Definition auch schon woanders gelesen.
      Aber ich frage mich ganz allgemein: Warum Horror? Worin liegt die Begründung, weshalb man damit fiktiv konfrontiert werden möchte? Und was bedeutet Horror insofern? Ist es der Slasher oder der Splatter? Gerade der Letzte soll wie ich einst las auch gewisse Bezüge zum Slapstick haben. Und unsere Kultur weist seit Jahrhunderten Motive auf, die das sogenannte Schauerliche nicht nur berühren. Mit dem Barock und der Groteske bzw. dem Manierismus gibt es zudem noch eine Stilepoche die man durchaus als 'düster' beschreiben kann. Die frühen Hollywoodfilme, der expressionistische Film und Comicserien wie Tales of the Crypt. Also, was fasziniert uns und wie kann man es erklären? Dem Genre des Horrors im engeren Sinne wird vorgeworfen, seit es das Genre gibt, die Menschen zu verderben und wer daran interessiert ist weise ein sadistisches Gemüt auf. Aber es geht doch nicht vorrangig darum sich daran zu ergötzen, oder?

      @ Morgoth666

      Ich habe die jüngsten Filme aus der Saw-Reihe nicht gesehen. Danke für die Erklärung.
      Aber wenn man sich langweilt, zeugt das nicht bereits von Abstumpfung?
      Was meinst du nun genau mit dem typischen Horrorfilm? Versucht man dabei in der Fortsetzung nicht auch den Vorgänger zu übertreffen?
      Und scheitert es nicht manchmal an dem Mangel an Neuem? Mit Neu meinst du bei Saw das Konzept, oder? Dass die Personen um ihr Überleben kämpfen bei ihren Entscheidungen. Ich habe nur den ersten Teil gesehen, kann zu den späteren Filmen also Nichts schreiben.
      Eine Bekannte von mir nannte Saw gerade als Beispiel für die Abstumpfung. Abgesehen von den ersten Teilen würde die Filmreihe dadurch nur noch am Laufen gehalten und hier würde sich eigentlich eher die sadistische Natur des Zuschauers zeigen. Wenn ich das so zusammenfassen würde, müsste ich mir die Frage stellen ob das, sofern es tatsächlich einen Gedanken hinter Horror gibt, damit noch Etwas zu tun hat. Oder zeigen wir hierbei unsere animalische Natur?
      Und wenn der Film sich anders zeigen würde? Braucht ein Horrorfilm Blut oder Gewalt?
      Würdest du zum Beispiel Interesse an einem Horrorfilm zeigen, der kein Blut und keine Gewaltdarstellung beinhalten würde?
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    • Hm interessantes Thema.

      Das Faszinierende am Horror an sich, denke ich ist nicht hauptsächlich die Darstellung von Blutorgien und Gewalt. Ich denke es ist sehr kompliziert, gerade weil jeder den Horrorfilm (wie jeden anderen Film auch) anders wahrnimmt als der Nächste. Ist es sadistisch sich ein solches Werk an zu sehen? vielleicht! Ich finde, das hängt davon ab, wie man die Figuren betrachtet. Wenn ich mit dem Helden mitfiebere und auch in momenten der Qual mit "leide" dann eher nicht. Hier ist denke ich der klassische Sinn der Gruselgeschichte näher dran, nähmlich nicht die Angst allein, sondern die Angst mit der danach empfundenen Erleichterung wenn man realisiert, dass es nicht echt ist. Die Freude am erschrocken werden.
      Wenn man allerdings den Film sieht und sich eher an den Menschen in den Foltermaschinen, zum beispiel bei SAW oder Hostel, erheitert, an deren Schmerz und Leiden, dann trennt man entweder komplett zwischen Film und realität und kann das alles gar nicht ernst nehmen, oder man ist tatsächlich Sadist.
      Kommt natürlich auch wieder drauf an, ob man der Meinung ist, die Figur habe ihr Schiksal verdient oder nicht.
      Der effekt, dass Saw beim zweiten mal nicht mehr so interessant ist, kommt denke ich eher daher, was der Anblick der Instrumente selbst in einem Auslöst. Wenn man die Mechanismen zum ersten mal sieht, fragt man sich automatisch was sie wohl tun werden, wenn sie ausgelöst werden. Wie sie funktionieren, welche Aufgabe es dort wie zu lösen gibt.
      Natürlich ist das beim zweiten mal gucken langweiliger weil die Neugierde dies bezüglich weg fällt. Ich denke aber nicht, das die nächste Maschine brutaler, oder schlimmer sein muss. Sie muss nur neuartig sein.
      Hier ist glaub ich der Hase begraben. Man fiebert extrem stark mit dem Helden mit, oder auch dagegen, aber man fiebert. Die frage ist, kriegt er den Mechanismus, der gebaut ist um seinen Kopf zu zerreißen rechtzeitig von den Schultern, oder schaft er es nicht. Erst recht, wenn einem der Sinn des Gerätes gerade erst klar geworden ist. Ich denke darauf liegt das Hauptaugenmerk in dem Moment. Man ist gespannt, ob man sich gleich entspannen kann oder ob man von einem Splattereffekt geschockt wird.
      Ich will aber nicht zu viel auf Saw rum reiten, habe nur den dritten mal mit einem Auge gesehen, und fand ihn allgemein eher... naja, nicht mein Ding irgendwie.

      Wir leben im Zeitalter des medialen Overkill. Die Leute werden nicht morbider oder sadistischer. Sie werden Gleichgültiger. Die Welt öffnet sich dem einzelnen immer weiter und wird gleichzeitig für viele immer kleiner. Menschen lassen sich Angst in der Realität einjagen, durch Terroristen, Finanzblasen und Psychopaten mit Atomwaffen.
      Man schiebt Leute vor, Politiker, die man als kompetent erachtet und verkriecht sich gleichzeitig in seine eigene Welt, zusammen mit dem, was man für wichtig hält. Und vielen ist es mittlerweile egal, was draußen passiert.
      Horrorfilme haben der Realität eines vorraus. Sie jagen Angst ein und man weiß trotzdem, der schrecken hat ein Ende. in der Realität nicht. Dort bangt man weiter um seinen Arbeitsplatz. Fürchtet die Islamisierung, sorgt sich um die letzten Ölvorräte und darum was passiert, wenn sie zur neige gehen.
      Wobei an dieser Stelle der heutige Zombiefilm einsetzt. Ich denke bei der Thematik an sich geht einem schon das Herz auf. Durch die oben schon genannten Ängste unterwerfen wir uns immer mehr Regeln und Gesetzen. Der Weg durch die 'Welt wird immer gradliniger, der Alltag langweilt. Zumindest für Menschen... wie uns möchte ich fast sagen.
      Ich will nicht behaupten hier irgendwen gut zu kennen, aber ich glaube hier von Freidenkern, nicht von Bildzeitungslesern umgebenzu sein ;)
      Wenn ich mich selbst frage, ob mir der Ausnahmezustand in diesen Filmen Angst einjagt, muss ich mir ehrlich antworten: nein! Ausnahmezustand ist erstrebenswert!
      Wenn man an Ragnars überlegungen zum Zombie an sich anknüpft ist der Zombie noch weit mehr als nur ein Spiegelbild (wobei ich das nicht anzweifeln will)
      Was sind diese Kreaturen denn, verglichen mit der Finanzkriese, dem Klimawandel, der Ölknappheit? Der Zombie ist ein Problem, dass man Lösen kann! Ob man es schafft oder nicht, ist egal. Man kann es versuchen. Vor allem muss man nicht dafür studieren, eine politische Laufbahn einschlagen oder in eine Industriellenfamilie geboren werden.
      Jeder kann sich dieses Problems annehmen. Man schnappt sich eine Waffe, ziehlt auf das was tot sein soll und drückt ab. Ein Zombie weniger!
      Zudem werden alle anderen Sorgen nichtig. Um so größer das Chaos wird, desdo unkomplizierter wird das Überleben. Schon allein, weil das Überleben als solches wieder zum Ziel wird. Momentan, mal ganz ehrlich, ist doch das am Leben erhalten Nebensache. Oder zumindest nicht schwer. Wenn du Hunger hast, rufst du das Chinataxi an oder schmeißt ne fertigpizza in den Ofen. Wenn du dich krank fühlst gehst du zum Arzt. Die Hauptsorgen sind die GEZ, Der Arbeitgeber, die Steuererklärung... alles Sachen, die nichts mehr zu bedeuten haben, wenn erst mal Zombies die Welt überrennen. Aber sie gehören in unserer Welt zum "Überlebenskampf"

      Ich breche hier erst mal ab. Hoffentlich ergibt dieser Zusammenschnitt meiner momentan doch eher ungeordneten Gedankenwelt für den außenstehenden Betrachter genau so viel Sinn wie für mich :roll:

      mfg
      Grave
      Denn die Fäulnis gebiert gräueliches Leben und die trägen Aasfresser des Erdreichs wachsen tückisch, es zu quälen und wuchern grässlich, es zu schinden.

      Gewaltige Löcher werden insgeheim gegraben, wo die Poren der Erde genügen sollten,

      und Dinge haben zu gehen gelernt, denen zu kriechen gebührt!

      [right]H.P.Lovecraft - "Das Fest" [/right]
    • @ Mea Culpa:
      Original von Mea Culpa
      Aber wenn man sich langweilt, zeugt das nicht bereits von Abstumpfung?

      Aus meiner Sicht nicht, zumindest nicht in diesem Fall. Findet man den Film langweilig, weil man ihn oder, wie Graverunner schrieb, die Instrumente schon kennt, würde eine neue Maschine, ein neuer Mechanismus den Zuschauer wieder fesseln. Ist man jedoch abgestumpft, hilft auch keine neue Maschine mehr. In diesem Fall muss die nächste Maschine brutaler sein. Natürlich spielt da auch der Wille den Vorgänger zu übertreffen mit rein, denn man will ja logischerweise den neuen Film auch verkauft kriegen.
      Mit einem typischen Horrorfilm meine ich Filme mit schon bekannten Konzepten (ja, das meine ich mit neu ;) ).

      Original von Mea Culpa
      Und wenn der Film sich anders zeigen würde? Braucht ein Horrorfilm Blut oder Gewalt? Würdest du zum Beispiel Interesse an einem Horrorfilm zeigen, der kein Blut und keine Gewaltdarstellung beinhalten würde?

      Ich finde, dass Blut in Filmen wichtig ist. Alleine schon wegen dem Realismus. Jemanden, der angeschossen wird ohne zu bluten, brauche ich nicht in einem Film. Sowas stört die Glaubwürdigkeit. Genauso auch das Gegenteil: Blut fließt in Strömen, kein Mensch hat so viel Blut. Sowas nagt auch an der Glaubwürdigkeit.
      Um deine letzte Frage zu beantworten: Ich kann mir keinen Horrorfilm ohne Gewalt und Blut vorstellen. Ich würde einen solchen Film nicht gucken, denn ich bin soweit abgestumpft, dass 'plötzliche Szenen', die einen erschrecken sollen, es einfach nicht mehr bringen. In diesem Fall liegen Abstumpfung und Langeweile irgendwie wieder eng beieinander.

      @ Graverunner:
      Original von Graverunner
      Ich denke aber nicht, das die nächste Maschine brutaler, oder schlimmer sein muss. Sie muss nur neuartig sein.

      Da muss ich dir zustimmen. In dem Fall, den wir beide beschrieben haben, geht es nämlich um Langeweile, nicht um Abstumpfung (wie ich sie definiere). Aber man könnte doch sagen, dass Langeweile, bezüglich schon bekannter Kozepte, eine Form der Abstumpfung ist. Man darf nur den Unterschied nicht vergessen.

      Original von Graverunner
      Hoffentlich ergibt dieser Zusammenschnitt meiner momentan doch eher ungeordneten Gedankenwelt für den außenstehenden Betrachter genau so viel Sinn wie für mich :roll:

      Ich weiß genau was du meinst :D diese Angst hatte ich auch bei meinem letzten Post xD
      Dein Post ergibt - zumindest für mich - Sinn. Ich sehe das nämlich genauso. ;)
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    • Original von Mea Culpa
      Und wenn der Film sich anders zeigen würde? Braucht ein Horrorfilm Blut oder Gewalt?
      Würdest du zum Beispiel Interesse an einem Horrorfilm zeigen, der kein Blut und keine Gewaltdarstellung beinhalten würde?

      Durchaus, wenn denn die Geschichte stimmt. Nehmen wir die klassischen Horror-Filme, wie Frankenstein und Nosferatu. Sie erzeugen noch heute ein unheimliche Atmosphäre, ohne Blut oder Foltermaschinen und genau darum geht es im Horror: Man soll sich gruseln, doch leider verwechseln viele Grusel mit Ekel. Das Ergebnis der Verwechselung ist dann so was wie "Slaughtered Vomit Dolls" oder "August Underground", also ein Film ohne Geschichte, nur mit Gewaltakten.
      Wobei viele Filme auch bewusst auf übertrieben viel Blut setzen, so viel, dass man merkt: "Hey, dass ist nicht real, es spritzt keine konstante 80 Liter-Blutfontäne aus einem Armstumpf!". Das wäre dann der Splatter, der nur das Grundgerüst des Horrors nuzt und die Komödie als Inhalt hat.
      Aber auch unser Angstgefühl hat sich gewandelt, nichtnur im Film, auch in der Literatur. Kaum jemand würde heutzutage so ein Aufheben über Frankenstein machen, wie es damals bei der Veröffentlichung war. Man fürchtet immer extremere reale Dinge, daher berühren einen die "seichten" Fiktionen weniger.

      Original von Graverunner
      Wenn man an Ragnars überlegungen zum Zombie an sich anknüpft ist der Zombie noch weit mehr als nur ein Spiegelbild (wobei ich das nicht anzweifeln will)
      Was sind diese Kreaturen denn, verglichen mit der Finanzkriese, dem Klimawandel, der Ölknappheit? Der Zombie ist ein Problem, dass man Lösen kann! [...]

      Aus der Perspektive hatte ich den Zombie noch nie gesehen, aber ich Stimme dir zu. Zombies sind lösbar und ein Happyend gibt einem so das Gefühl, vielleicht auch ein reales Problem lösen zu können.
      Interessant an den Romero-Zombie-Filmen ist übrigens, dass die Hauptprotagonisten oftmals mehr von ihren Mitmenschen als von den Zombies bedroht werden.

      Um auch den Unterschied langeweile/abstumpfung zu betreten:
      Kennt jemand den Film „Feed“? Er zeigt sehr viel Psychologische Gewalt (und sehr viel ekelige Stellen). Nachdem man den Film mehrere Male gesehen hat, langweilt man sich, da man ja weiß, was passiert, jedoch ist es ein beklemmendes Gefühl, dass es solche Leute, wie in dem Film, tatsächlich gibt.
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    • @ Morgoth666

      Danke für deine Antworten. Ich denke Glaubwürdigkeit ist wahrscheinlich ein wichtiger Aspekt um Menschen zu fesseln. Ich wollte dir nicht vorwerfen, dass du 'abgestumpft' wärest. Ich hatte mich bloß gefragt ob der Film vielleicht auch mit Andeutungen auskäme.
      Ich meine einen Schrecken, der nicht unbedingt gezeigt wird sondern bei dem man zum Beispiel eher erwartet, dass man ihm begegnen könnte. Aber dann wäre das wohl, wie bereits erwähnt, ein Effekt, der wenn er funktionieren würde, wahrscheinlich nur einmal wirklich den Zuschauer fesselt. Wir sprachen nun über den Horror im Film. Und wie ist es zum Beispiel damit in der Literatur?

      @ Ragnar

      Der klassische Horror könnte heute nicht mehr funktionieren, oder?
      Ich weiß nicht.
      Dracula würde ich gerne zu Ende lesen. Ich habe das Buch schon recht lange bei mir liegen. Und auch die schwarzhumorigen Kurzgeschichten Roald Dahls würde ich mir gerne wieder vornehmen. Aber eigentlich empfinde ich sie zumeist nicht als schwarzhumorig. Bei 'die Wirtin' habe ich mich gegruselt. Alles war schön zurechtgemacht und dann stellt sich heraus, dass die Tiere, die dort so friedlich zu schlummern scheinen von ihr ausgestopft wurden. Einmal abgesehen davon, dass die letzten Untermieter nie ausgezogen sind.

      de.wikipedia.org/wiki/Die_Wirtin
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    • Original von Mea Culpa
      Wir sprachen nun über den Horror im Film. Und wie ist es zum Beispiel damit in der Literatur?


      Der läßt sich hervorragend bei Edgar Allen Poe und sogar bei Charles Dickens finden.

      Weitere Literatur
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      "Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Philosophie ist, wenn man trotzdem denkt. Religion ist, wenn man trotzdem stirbt." (Jürgen Becker)

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von ArturiusRex ()

    • Original von Mea Culpa
      Ich wollte dir nicht vorwerfen, dass du 'abgestumpft' wärest.
      Oh, kam das so rüber? :uhoh: Ich hatte nicht den Eindruck gehabt, als ob du mir etwas vorwerfen wolltest. Aber ich bin in manchen Dingen abgestumpft - zumindest ein bisschen.

      Horror in der Literatur? Ich lese eigtl nur Fantasy-Romane. Das einzige Buch (wohl eher Heft) was ich gelesen habe, war Der Vampir von Paris von Claude Klotz. Horror-Roman steht zwar drauf, aber so wie ich es in Erinnerung hab, war es nicht wirklich gruselig, eher zeitweise eine Komödie. Hatte aber eine gute Athmosphäre, vielleicht lese ich es, wenn ich Herr der Ringe durch habe (das kann dauern - bin noch beim ersten Band xD), nochmal durch.
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    • Literatur ist da sonne Sache. Auch beim Klassischen Horrorfilm, wo nicht zwangsweise Blut fließen muss. will man sich schocken Lassen oder gegruselt werden?
      Beim Horror an sich denke ich braucht es Phantasie, sich in die Figuren hinein zu versetzen und ihre Angst mit zu fühlen. Man muss sich in die Welt des Busches, oder des Filmes hineindenken.
      Wenn ich mir anschaue, was die Leute sich sonst so rein hauen im TV... Da stumpft wohl eher die Phantasie ab als alles Andere.

      Ja Poe ist ein super Beispiel. Wenn ich an "Der Untergang des Hauses Usher" denke fällt mir zuerst wieder das Ende ein, welches mir des Nachts doch schon ziemlich die Haare hat stehen lassen :uhoh: "Wahnsinniger, Sie steht ja schon vor der Tür!!!"

      Ich denke es ist wichtig für solche Geschichten als Leser ein gewisses Maß an Empathiefähigkeit mit zu bringen. In unserer Gesellschaft wird das glaube ich immer weniger Selbstverständlich.

      Jetzt frage ich mich gerade, was genau da eigentlich in uns verloren geht...
      Ich denke in die Richtung, dass nicht das Medium, das Genre, an sich die Leute abstumpft, sondern das die steigende Gewaltdarstellung und die immer simpler werdenden Plots Symptome dieser Entwicklung in der Gesellschaft sind.
      Denn die Fäulnis gebiert gräueliches Leben und die trägen Aasfresser des Erdreichs wachsen tückisch, es zu quälen und wuchern grässlich, es zu schinden.

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    • Vielleicht kein Buch ... 'nur' ein Hörspiel ... aber was haltet ihr von Gabriel Burns?

      Hab hier seit ner Weile den ersten Teil rumfliegen und komm nicht wirklich dazu ihn zu hören, weil meine Freundin mithören wollte ;)
      Realität, so wissen wir aus eigener vielfacher Erfahrung, Realität ist etwas für Leute, die nicht mit Science-Fiction klarkommen
    • Original von Mea Culpa
      Der klassische Horror könnte heute nicht mehr funktionieren, oder?
      Ich weiß nicht.

      Man müsste es auf einen Versuch ankommen lassen. Er könnte wieder funktionieren, wenn die Gesellschaft sich wieder darin finden kann. Man kann sogar zu einem gewissen Grad sagen, dass der Horrorgeschmack in die Geschichte zurück reist, denn es werden ja zurzeit extrem viele Remakes gedreht, wobei hier meist nur die 70er und 80er abgehandelt werden.
      Beim Horror ist es letztlich so, dass viele Filme einfach nur der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten oder als Ventil dienen. Wenn man zu der Figur oder dem Geschehen im Film keinen Bezug findet, wird einen der Film auch nicht zwingend fesseln. Und da sich viele Menschen Gewalt (vor allem psychisch) ausgesetzt fühlen (und ausgesetzt sind), wird auch das Genre härter. Man findet diesen Wandel nicht nur im Horror, auch andere Genres werden „härter“.

      Wir sprachen nun über den Horror im Film. Und wie ist es zum Beispiel damit in der Literatur?

      Ich glaube, dass es in der modernen Horrorliteratur noch nicht so hart zugeht, wie im Film, wobei ich zugeben muss, dass ich auch nicht sonderlich belesen im modernen Horror bin.
      Ich muss aber sagen, dass die Klassiker, würden sie erst heute geschrieben werden, zum Grossteil nicht die Wirkung haben würden, wie sie es damals hatten.
      Unsere Welt ist schnelllebiger geworden, also muss sich das Genre anpassen. Außerdem sind wir nicht mehr so abergläubisch und auch nicht mehr so leicht zu schocken. Die Wissenschaft hat viele Dinge aufgeklärt, auf die die Literatur zurückgegriffen hatte. Auch unsere Tabus haben sich verändert.
      Ich glaube, dass z. B. Mary Shelleys Frankenstein wohl nicht so eine Schockierung hinterlassen hätte, wäre es von einem Mann geschrieben worden. Aber auch das Thema, dass ein Doktor künstliches Leben erschafft, ist heute nicht mehr so schockierend, denn unsere Wissenschaft ist ja auch selbst schon nah dran dasselbe zu tun.
      Die Geschichten von Edgar Allan Poe sind da schon anders, da sie irgendwie „Zeitloser“ sind, weil der Horror auf einer anderen Ebene wirkt, als er es bei z. B. Mary Shelley tut.

      Letztlich hat nicht das Horror-Genre uns verändert, wir haben uns selbst verändert und das Genre hat sich nur angepasst, bzw. wurde angepasst. Es spiegelt immer unsere Ängste wieder, früher waren es halt Geister und Vampire, heute sind es andere, zum Teil realistischere Dinge.

      Btw: Ich muss eine Aussage von mir revidieren: Ekel zählt zur Angst, jedenfalls gehen Ekel und Angst oft Hand in Hand.
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    • Original von Ragnar
      Und da sich viele Menschen Gewalt (vor allem psychisch) ausgesetzt fühlen (und ausgesetzt sind), wird auch das Genre härter. Man findet diesen Wandel nicht nur im Horror, auch andere Genres werden „härter“.
      Ich denke aber, dass das hauptsächlich am technischen Fortschritt liegt.
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    • Nicht zwangläufig an der Technik-schaue dir doch beispielsweise an, wie Rammstein auf ihren Alben (insbesondere der "Liebe ist für ale da") auch mit diversen Motiven spielen, als da wäre besonders der indizierte Song "Ich tu dir weh" zu nennen, der rein musikalisch bis auf die Gitarren sowie dem Drum-Break am Ende doch relativ sanft und säuselnd ist, während er textlich, wie schon zuvor bei "Mein Teil", "Keine Lust" etc. harter Tobak ist.
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