Das arabische Zeitalter

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

    • Das arabische Zeitalter

      Am Montag erschien in der jungen welt ein durchaus interessanter Artikel, den ich hier mal in Auszügen zitieren will. Es geht um die Zeit zwischen dem 7. und 15. Jahrhundert, als das Römische Reich ziemlich tot war und bei uns in Europa nicht mehr viel lief. Da schickten sich dann mal wieder die Araber an, eine Hochkultur zu entwerfen. Ich glaube, dass ist landläufig gar nicht so bekannt. In unserem Geschichtsunterricht gings bei Erfindungen und Weiterentwicklung der Menschheit erst in der Renessance so richtig weiter.

      Deshalb will ich mal ein paar Textstellen des Artikels herausgreifen, die ernstzunehmende Errungenschaften für die Menschheit darstellen.

      "Um 1156 war das »Al-Nuri«-Hospital in Damaskus das größte und fortschrittlichste Krankenhaus weit und breit. Mehr als 8000 Betten standen für die stationäre Pflege der Patienten zur Verfügung; die medizinische Versorgung war kostenlos.

      Hier praktizierten so herausragende Ärzte wie der Perser Abu Bakr Mohammad Ibn Zakariya ar-Razi (864–930) – Pionier der Geburtshilfe und Augenheilkunde, Vater der Kinderheilkunde; er erkannte die sterilisierende Eigenschaft des reinen Alkohols, arabisch alkoll (dt. »das Ganze«), und verwendete ihn als Antiseptikum.

      Ar-Razis größtes Werk, eine 23bändige Enzyklopädie, war vor dem 19. Jahrhundert eine der umfassendsten medizinischen Abhandlungen, die bis dahin jemals veröffentlicht worden waren. 183 medizinische Bücher soll er verfaßt haben...

      Ibn Sinas Werk über die allgemeinen Prinzipien der Medizin Al-Qanun fi-l-Tibb (»Kanon der Medizin«), oder einfach nur Kanon, war auch im Westen über 600 Jahre das möglicherweise meistgenutzte Standardwerk. Beschrieben werden Themen wie die Verbreitung von Krankheiten, die Behandlung von Haut-, Nerven- und Geschlechtskrankheiten; Darstellungen und Analysen zahlreicher psychologischer und pathologischer Fakten; Knochenbrüche, Organstörungen, Arzneimittelkunde und ähnliches. Bis ins 17. Jahrhundert hinein wurde es an Medizinschulen wie Louvain und Montpellier als Grundlagenwissen genutzt, und laut UNESCO ist der Kanon sogar noch 1909, also bis ins Zeitalter der modernen Medizin, an der Universität von Brüssel verwendet worden.

      iele mögen vielleicht wissen, daß die Algebra aus der arabischen Welt in den Westen gelangt ist, erfunden von dem persischen Mathematikgenie al-Khwarizmi (780–850), der ebenfalls die Algorithmen-Lehre entwickelte, die Verwendung von Dezimalzahlen und die Ziffer Null aus dem indischen in das arabische und damit in die modernen Zahlensysteme einführte.

      Wer aber weiß, daß Abu al-Qasim Khalaf ibn al-Abbas Al Zahrawi (936–1013), über 200 chirurgische Instrumente entwickelte, die auf lange Zeit die medizinische Wissenschaft revolutionierten? Wer hätte vermutet, daß der erste Globus bereits im 12. Jahrhundert entstand, konstruiert vom muslimischen Geographen Abu Abd Allah Muhammad al-Idrisi (1100–1166)? Der 400 Kilogramm schwere Erdball aus purem Silber bildete die sieben Kontinente ab – mit wichtigen Handelsrouten, Flüssen und Seen, großen Städten, Tälern und Bergen. Für Roger II., König von Sizilien, erstellte al-Idrisi einen Atlas mit 70 Karten, das sogenannte Buch von Roger, in dem er die Kontinente Europa, Asien und das nördliche Afrika einzeichnete.

      350 Jahre vor Kolumbus und zwei Jahrhunderte vor Marco Polo zeigte al-Idrisi, daß die Erde rund war. Eine Auffassung, die damals übrigens von muslimischen Gelehrten allgemein geteilt wurde – während man in Europa vielfach noch daran festhielt, daß die Erde flach sei.

      Und wer hat hierzulande schon von Abbas Ibn Firnas (810–887) gehört, der 852 den ersten Flugapparat baute und sich vor den Augen einer begeisterten Zuschauermenge vom Minarett der Großen Moschee von Córdoba abstieß? Seinen zweiten und erfolgreicheren Flug unternahm er beinahe 70jährig. Nahezu 20 Jahre hat er an der Verbesserung des ersten Gleiters gearbeitet. Tausend Jahre vor den Gebrüdern Wright und sieben Jahrhunderte von den Konstruktionen Leonardo da Vincis war Ibn Firnas der erste Mensch in der Geschichte, der einen wissenschaftlichen Flugversuch unternahm.

      Weitaus geschätzter in der arabischen Welt als im Westen ist auch der in Basra, Irak, geborene Abu Ali al-Hasan Ibn al-Haitham oder »Alhazen« (965–1039). Er gilt nicht nur als Begründer der Optik, er war auch der meist zitierte Physiker des Mittelalters und leistete Bahnbrechendes auf den Gebieten der Mathematik, Astronomie und Physik. Er erfand die weltweit erste Lochkamera, die er qamara nannte, das arabische Wort für »Privatraum« oder »Dunkelkammer«.

      Der irakische Gelehrte al-Haitham analysierte den Aufbau des Auges, erkannte die Bedeutung der Linse und widerlegte in ersten wissenschaftlichen Experimenten die Sehstrahlentheorie der Griechen, wonach ein unsichtbares Licht vom menschlichen Auge ausgehe und die Umgebung abtaste. Seine Forschungen zur Lichtbrechung und Lichtreflektion brachten ihn dazu, Lesesteine aus Glas herzustellen, was ihn zum Erfinder der Lupe machte. Seine Schriften, darunter das berühmte Werk Kitab-al-Manazir – »Das Buch der Optik« – sollen Roger Bacon im 13. Jahrhundert zur Erfindung der Brille inspiriert haben.

      Im 9. Jahrhundert galt die Bibliothek von St. Gallen mit 36 Bänden als größte Bibliothek des christlichen Europa; im muslimischen Córdoba standen den Gelehrten zur gleichen Zeit bereits weit über 500000 Bücher zur Verfügung.

      Das erste Papier erreichte den Irak um 750 aus China – über die Seidenstraße via Samarkand – vier Jahrhunderte bevor es in Europa eintraf. Kurz darauf bauten die Bagdader ihre erste Papiermühle. (1293 wird in Bologna die erste Papiermühle im christlichen Europa errichtet.)"

      jungewelt.de/2007/02-05/017.php?sstr=tausendundeine|erfindung
      1001inventions.com

      nicht schlecht, oder? - und was fiel uns dazu ein? - Kreuzzüge, Raub Mord, Plünderung

      :wall: :wall:
      "Und ois kaputt geht wei wir ned durchblicken,
      waun Yoghurt Landliebe haast obwoi ma`d Natur ficken!
      ...
      Während`s fost olle blenden mit da Reizüberflutung,
      oba kana mehr merkt das uns nix bleibt für die Zukunft;
      An dem Punkt wo a da Bischof si`s im Netz besorgt -
      was i dass jetz kumman muass mei letztes Wort!"

      Ivan Ivanov - Die Unsichtbaren - das Ende

      Nesh Nivel: "wir sind unsichtbar für dich solange du nicht an uns glaubst"
    • RE: Das arabische Zeitalter

      Original von Murkser
      nicht schlecht, oder? - und was fiel uns dazu ein? - Kreuzzüge, Raub Mord, Plünderung

      Die kulturelle Hochblüte der arabischen Welt in dieser Zeit ist bei uns durchaus bekannt - Ibn Sina beispielsweise ist in der Medizin ein Begriff wie Paracelsus.

      Aber bei aller Sympathie für Deinen kritischen Ansatz - ich würde nicht danach fragen, was 'uns' damals dazu eingefallen ist, sondern was 'ihnen' heute dazu einfällt.
      Denn der weltoffene Geist der großen muslimischen Wissenschafter und Philosophen ist es wohl nicht, der heute durch die arabischen Länder weht. Leider.
      Homo est Deus
      utrolibet.de
    • Allerdings ist man sich mittlerweile nicht mehr so sicher, ob das "Finstere Mittelalter" tatsächlich so finster war.
      Immer mehr Forscher nehmen den Standpunkt ein, dass sich die Forschung und die Lehre damals auf einige wenige Zentralpunkte konzentriert hat und sich deshalb nicht verbreiten konnte.
      Es finden sich auch in Klöstern (z. B. Fulda) Aufzeichnungen zu hydraulischen Erfindungen, die nahe an die der Antike heranreichen.

      Und auch im arabischen Raum war das Lesen und Schreiben nur den Gelehrten bzw. Studenten vorenthalten. Jedoch hatten diese den Vorteil der Papierherstellung auf günstigem Wege, was bei uns nicht möglich war.
      Dies würde die Niederschriften erklären.

      Auch ein Faktor ist die Konzentration in Europa auf die Glaubenskonflikte und den Zusammenhang zwischen Staat und Kirche und der daraus resultierenden Unklarheit bez. Herrschaft. Dadurch dass der Papst eine zu große Machtstellung hatte, waren alle Wissenschaftler an sein "Okay" gebunden und konnten nicht ohne Vorbehalte tätig werden.

      Ich persönlich schätze das Mittelalter eher als Zeit des Übergangs ein, welches aber lange nicht so rückständig war, wie wir heute annehmen.
      Procrastination is like masturbation:
      It feels good in the begining, but in the end you realize you just fucked yourself.
    • RE: Das arabische Zeitalter

      Original von Murkser
      Am Montag erschien in der jungen welt ein durchaus interessanter Artikel, den ich hier mal in Auszügen zitieren will. Es geht um die Zeit zwischen dem 7. und 15. Jahrhundert, als das Römische Reich ziemlich tot war und bei uns in Europa nicht mehr viel lief. Da schickten sich dann mal wieder die Araber an, eine Hochkultur zu entwerfen. Ich glaube, dass ist landläufig gar nicht so bekannt. In unserem Geschichtsunterricht gings bei Erfindungen und Weiterentwicklung der Menschheit erst in der Renessance so richtig weiter.

      Dein Geschichtslehrer saugt. Bei uns wurde das explizit erwähnt und wir hatten diese Zeit des Mittelalters sehr ausführlich, angefangen mit dem damaligen Bibliothekswesen.
      Was auch der Grund dafür zu sein scheint, warum die Araber so richtig einen drauf gelegt haben. Sie haben konzentriert, Leuchttürme im wahrsten Sinne des Wortes geschaffen. Während hier die Klöster als einzige "Forschungs"institution hergehalten haben. Es ist doch nicht anders als heute: ohne Netz, ohne Inspiration, ohne Hilfe kann man als Forscher einfach nichts tun. Und die Bedingungen im dunklen Europa waren einfach bescheiden, das muss man klar so sagen.

      Wir sehen die umgekehrte Entwicklung jetzt nochmal: Lock in, Isolation und Ignoranz auf der einen Seite, ein sprundelnder Strom an Publikation und Austausch auf der anderen. (Aber bitte, seht das nicht so einfach, es gibt auch muslimische Forscher, die ganz vorn mitspielen. Nur leider forschen die mittlerweile nicht mehr für ihr Heimatland, mussten sich arg beschneiden oder hatten das schwein, in einem laizistischen Staat geboren zu sein)
    • Wenn man die muslimische Kultur mit der christlichen vergleichen will, kann man, glaube ich, keiner gerecht werden.
      Die Grundsätze sind zu verschieden.
      Im Islam war und ist die Trennung von Religion und Staat undenkbar, im Christentum waren die Meinungen darüber früher wechselhaft und orientierten sich am Machthunger der Herrschenden.
      Und auch heute ist man sich in Teilen der christlichen Welt nicht sicher, ob Staat und Religion nun eins sein sollen oder nicht.
      Was die Wissenschaft angeht, waren auch hier die Intentionen sehr verschieden. Natürlich gab es auch hierzulanden kluge Köpfe, die die Forschung vorantrieben, wo sie konnten. Nur hat das niemanden interessiert. Und was nicht in Klöstern archiviert wurde, musste meistens in Vergessenheit geraten.
      Und die "Forscher" die gesponsort wurden gaben nur das von sich, was die Sponsoren hören wollten.
      Da passt der Ausspruch aus den Meistersingern: wes brot ich ess, des lied ich sing
    • Original von möve
      Wenn man die muslimische Kultur mit der christlichen vergleichen will, kann man, glaube ich, keiner gerecht werden.
      Die Grundsätze sind zu verschieden.

      Echt? Welche?

      Im Islam war und ist die Trennung von Religion und Staat undenkbar, im Christentum waren die Meinungen darüber früher wechselhaft und orientierten sich am Machthunger der Herrschenden.
      Und auch heute ist man sich in Teilen der christlichen Welt nicht sicher, ob Staat und Religion nun eins sein sollen oder nicht.

      Die Begehrlichkeit nach weltlicher Macht ist wohl auf beiden Seiten gegeben - so ihr nicht Einhalt geboten wird.
      Daher kann ich mir auch im Islam sehr wohl ein laizistisches Modell vorstellen, sogar Atatürk hat das ja bereits versucht. Daß sich die islamische Geistlichkeit dagegen sträuben wird, ist klar - wer verliert schon gerne seine Machtpositionen. Das heißt aber noch lange nicht, daß sie sie immer behalten werden.
      Homo est Deus
      utrolibet.de
    • Hmh, das wäre ein langer steiniger Weg.
      Und warum sich ändern? Der Islam hat doch eigentlich alle Rechte klar definiert, im Koran.
      Die Auslegung macht es.

      Was ich eigentlich meinte ist die kulturelle Entwicklung im nahen Osten und hier, ich hatte mich wohl etwas unklar ausgedrückt.
      Die Entwicklung einer Kultur auch im Bezug auf ihre klimatischen Bedingungen, die sich ja stark auf soziale und religiöse Entwicklungen auswirken.
      Warum soll man Äpfel mit Birnen vergleichen wollen?
      Dem einen schmeckt die Birne besser, dem anderen der Apfel.
      Darum müssen aber doch nicht Äpfel zu Birnen...