Schauergeschichte

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    • Schauergeschichte

      Die Nacht hatte bereits ihren rechtmäßigen Platz eingenommen. Am schattenschwarzen Firmament prangte der Vollmond wie die entblößte Brust einer sehr, sehr blassen Frau.
      Auch Irene hätte etwas Röte vertragen können; sie war vor Erschöpfung totenbleich. Seit einer geschlagenen Stunde schon stapfte das Mädchen durch Dorf um Dorf auf dem Weg zum Haus seiner Gastfamilie. Es hatte den letzten Bus verpasst. –
      Es galt in einem Nebel zu waten, welcher die Durchdringbarkeit eines mittleren Wohngebäudes besaß; jedoch keine Fenster hatte. Irene sah die Hand vor lauter Augen nicht. Das war nur logisch, denn ihre beiden Hände steckten sowohl in dicken Fäustlingen als auch kilometerweit in den Jackentaschen. Es war sehr kalt draußen.
      Die Straßenlaternen schienen gerade hell genug, dass Irenes Augen sich nicht an die Dunkelheit gewöhnen, und gerade schwach genug, dass sie trotzdem nichts sehen konnten. Für den Sehnerv des armen Mädchens war es eine regelrechte Marter. Das Licht der Laternen war geradezu marterfahl.
      Unter derlei Bedingungen also kämpfte Irene sich voran. Ihre zarten Füßchen klopften einen Rhythmus aufs Pflaster, zu dem der erbarmungslose Wind sein immerwährendes, altes Lied pfiff. Auch Wölfe stimmten mit ein.
      Schließlich, endlich, zeichnete sich am Horizont das Anwesen der Gastfamilie ab. Irene hätte erleichtert aufgeatmet. Doch sie befürchtete mit einem Stoßseufzer die schmutzige Fantasie der sie offenkundig umzingelnden, wilden Tiere anzuregen. So unterdrückte das Mädchen zunächst noch seine Erleichterung und beschleunigte lediglich die ohnehin schon hastigen Schritte.
      Nach vierhundert weiteren Metern schließlich stand Irene vor dem metallenen Portal. Plötzlich begann sich jenes ohne ihr Zutun zu öffnen. Sie erschrak. Ein jämmerliches Quietschen erklang, als kratze Satan persönlich mit seinen nachtschwarzen Fingernägeln an einer Tafel herum, auf welcher zuvor die vier Apokalyptischen Reiter französische Vokabeln konjugiert hatten. Irene trat nichtsdestotrotz ein.
      Sie überquerte den Vorhof, der Kies knirschte unter ihren Sohlen. Plötzlich krachte ein Blitz. Irene sah nach oben, Regen fiel ihr ins Auge. Doch es war nur ein kurzer Schauer. –
      YO YO YO WHAT GOES