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      Afanasij hatte sich auf einer Bank an einem Kieswegesrand niedergelassen und beobachtete seine Umgebung. Er befand sich in einem kleinen, überschaubaren Park, kreisförmig angelegt, der gen Straße durch dichtes Baumwerk geschützt war. In der Mitte jedoch wurde der Park durch eine ausufernde Wiesenfläche ausgemacht, die ein Kiesweg umgab. An dessen Rand hatte Afanasij auf einer Bank sich niedergelassen. Er beobachtete seine Umgebung. Kaum eine der Parkbänke war nicht besetzt, die Leute hatten sich an diesem ersten Schönwettertag nach einer längeren Periode ungemütlicher Witterung im Park eingefunden, um die Sonne zu schmecken. Afanasij war auch da.
      Seine Aufmerksamkeit nahm mittlerweile in Anspruch der merkwürdig geformte Hügel in der Mitte der Wiese in der Mitte des Parks. Es war eigentlich kein richtiger Hügel, fand Afanasij. Er erhob sich keinen Meter über die Wiese und lief nicht spitz zu, sondern war abgeflacht; ein sehr niedriger Kegelstumpf aus Gras, dessen Durchmesser Afanasij auf 100 Meter schätzte, eine Art Plateau. Auf dem Plateua standen Bäume. Es waren dünne Bäumchen ohne Krone, wie überdimensionale Zahnstocher wirkten sie. Sie standen jeweils sehr weit auseinander, in regelmäßigen Abständen, auf Afanasij machte es den Eindruck, als wären sie nach geometrischem Muster angeordnet. Es mutete ihm merkwürdig an. Die übrigen Parkgäste schienen den Anblick gewohnt, sie waren, ganz uninteressiert an dem Hügel, in Gespräche und Zeitungen vertieft. Afanasij jedoch machte sich fasziniert Gedanken über den Zweck dieser Installation; denn es musste ein konkreter Zweck vorliegen, hatte er beschlossen, Menschen mussten den Hügel in konkreter Absicht angelegt und bepflanzt haben.
      Seine Erörterungen wurden von Motorengeräusch gestört. Er wandte den Kopf in die Richtung, aus der er den Lärm vernommen zu haben glaubte, und erblickte eine Kolonne zitronengelber Sportwagen, die in den Park einfuhren. Afanasij klappte vor entsetztem Unverständnis der Mund auf, und er erhob sich auf halbem Wege von der Bank. Er zählte zwölf Wagen, vielleicht fünfzehn. Nachdem er einige Sekunden verharrt und den Kurs der Wagen verfolgt hatte, setzte er sich wieder und stellte mit einer Begeisterung, die ihn selbst überraschte, fest, dass sie auf das Plateau zusteuerten. Also doch ein Zweck! Tatsächlich kamen sie schließlich in einer Reihe vor dem Plateau zum Stehen. Die Geräusche ihrer Motoren erstarben. Afanasij ertappte sich dabei, wie er die Luft anhielt. Dann heulte der Wagen an der Spitze auf und schoss – ein zitronenfarbener Blitz! – auf das Plateau, zwischen die Bäume, und begann sie in wildem Slalom zu umfahren. Unter Motorengekreisch folgtem ihm die anderen Wagen der Kolonne. Scheinbar planlos umkreisten sie nun alle in wilder Fahrt die Bäumchen. In angespannter Konzentration, Oberkörper nach vorn gebeugt, saß Afanasij auf der Bank und verfolgte dieses aberwitzige Schauspiel. Doch je länger er die Wagen beobachtete, desto sicherer wurde er sich, dass ihren Irrsinnsbewegungen eine Ordnung zu Grunde lag, ja liegen musste! Sie schienen jeweils in Achten um die Bäumchen zu fahren; es gab Wagen, die die Bäumchen in Kreisbahnen von verschiedenen Radien umfuhren, einige außen, einige innen, einige dazwischen; es gab Wagen, die die Bäumchen entlang des Radius umfuhren, von innen nach außen, von außen nach innen; es gab Wagen, die in einer Kombination aus beiden Bewegungen die Bäumchen umfuhren, einige von ihnen mitunter rückwärts; immer wieder wechselten die Wagen, synchron, ihre Geschwindigkeit, von langsam zu schnell, von schnell zu langsam. – Genaueres konnte Afanasij auf diese Entfernung nicht erkennen.
      Er stand auf, überquerte den Kiesweg, betrat die Wiese und bewegte sich bedachten Schrittes, nahezu ehrfürchtig, auf das Plateau mit den Bäumchen und die sie umzirkelnden zitronengelben Sportwagen zu. In eigenermessenem Sicherheitsabstand blieb Afanasij stehen. Er stellte verwundert fest, dass die Wagen allesamt schwarze Scheiben, auch schwarze Frontscheiben, hatten. Immernoch vollführten sie ihren chaotischen Slalom, ohne dass es zu Zusammenstößen kam, präzise umschlängelten sie einander und die Bäumchen. Dabei, bemerkte Afanasij, blieb das Zentrum des Plateaus von dem zitronengelben Strudel stets verschont. Was es wohl damit auf sich haben mochte, fragte er sich. Die allumfassende Abstraktheit des Geschehens hatte ihn schon längst vollkommen eingenommen, Afanasij war regelrecht hypnotisiert. Ihn erfüllte nur noch das Verlangen, tiefer einzudringen in die Prinzipien dieses Prozesses, der ihm so sehr von der Wirklichkeit abgetrennt schien. Als die Wagen sich in ihrem Bewegungsfluß einmal mehr verlangsamt hatten, rannte er wie berauscht auf die Mitte des Plateaus zu. Vielleicht würde sich ihm der endgültige Zweck dort erschließen! Außer Atem erreichte er die rettende Insel, gerade rechtzeitig, um nicht von den zitronengelben Sportwagen erfasst zu werden, die wieder beschleunigt hatten. Doch hier, wusste Afanasij bestimmt, war er sicher. Nun werde ich die Wagen und den Zweck ihrer aberwitzigen Bewegung intensiv, dem Geschehen so nahe, wie es nur geht, studieren können! dachte er voller Euphorie. Man wird mich, Afanasij Sergejewitsch Chochlakow, als den Menschen feiern, der die zitronengelben Sportwagen durchschaut hat! schoss es ihm durch den Kopf. Daraufhin löste sich einer der zitronengelben Sportwagen aus dem Verband und schoss in irrationaler Geschwindigkeit quer durch die Mitte des Plateaus und Afanasijs Kopf.
      YO YO YO WHAT GOES