Original von quigor
Aber Rex - sie lassen sich doch bereits völlig gehen! Okay, nicht die halbe Gesellschaft - aber von der ist hier auch nicht die Rede: Der Prozentsatz dieser Underdogs ist entschieden kleiner, sie fallen nur stärker auf. Und tragisch ist in meinen Augen ja nur, daß wir zunehmend unser Angebot an ihnen orientieren - als wäre ein rülpsender Analphabet der Prüfstein unserer Kultur.
Die Tatsache selbst, dass wir das Angebot an ihnen orientieren ist traurig- genauso wie das Angebot selbst. Wenn Du mich fragen würdest, ob es "Underdogs" gibt, die so aufgewachsen sind, aber etwas aus sich machen wollen und Potential haben, dann würde ich dies bejahen. Aber sie haben (schulisch gesehen) keine Chance dazu, denn die Schule orientiert sich an der Dummheit. Es gibt sehr viel Sportliches und es gibt "Rapwettbewerbe", es gibt Turniere in allen erdenklichen Sportarten- außer Schach, versteht sich. Das Problem ist, dass man versucht, diese Kids zu "nützlichen Gesellschaftern" zu machen und dazu Techniken benutzt, wie wir es aus den Bootcamps kennen- Regeln lernen, Regel einhalten. Frei nach Mao: [zuviel] lesen macht dumm, lernt einfach die Regeln. Dadurch, dass diese Ansicht ja keine ist, die sich nur auf einen Teil der Schüler bezieht, sondern auf alle (zumindest an Gesamtschulen und Hauptschulen), gibt es auf schulischer Basis kaum Möglichkeit, aus diesem Einheitsbrei auszubrechen. Und was mit jenen Kindern passiert, die gebildet sind- darüber könnte ich Dir aus eigener Erfahrung an der Gesamtschule ein Liedchen singen.
Das Gymnasium vermag ich in der Gänze nicht zu beurteilen- nachdem ein Lehrer sich mit mir mal "endlich auf Deutsch" unterhalten wollte, der obendrein noch Geschichtslehrer war und kein Wort Latein verstand (Philanthropie, Misanthropie) und mich am Ende nebst einer Anklage wegen "Bedrohung", die dann fallengelassen wurde, aus der Schule kompromittierte in der Angst, ich hätte vor ihm im Stile von Erfurt das Toupè vom Kopf zu jagen, hat sich das Kapitel Gymnasium für mich erledigt- sowohl schulisch als auch von der persönlichen Bewertung her.
Was ich über die beiden Gymnasien, die ich besuchte, sagen kann, ist, dass es vom System her nicht sehr viel anders verlief, als auf den späteren Schulen. Der Lehrstoff war anspruchsvoller, gewiß, aber alles was von der Bestätigung durch Abfrage desselben abwich, war nonproduktiv. Insbesondere, wenn Du subversive Ansichten vertratest, ging es Dir nicht sonderlich gut. Eigenes Denken wurde schlichtweg nicht unterstützt- auch wenn das Material nicht trivial gewesen ist.
Worauf ich hinaus will, ist, dass der Unterschied nur in dem Bildungsmaterial liegt- eigenständiges Denken wird an keiner Stelle trainiert. Ich denke, dass dies zum Teil zu der simplen Ansicht vieler Leute beiträgt.
Um hier wieder die Underdogs zu nehmen- jenen, die Potential hätten, wird keine Gelegenheit gegeben, selbiges zu nutzen. Sie gehen in Bibliotheken, lesen allerhand Literatur, meistens Dinge über Chemie und Mathematik, sind verdammt interessiert und scheitern in der Schule. Es gibt unzählig viele Idioten mit Abitur und es gibt unzählig viele Hochintelligente mit Hauptschulabschluss. Letztere, so sie an der Hauptschule verweilen, haben zusätzlich noch das Problem mit den "coolen" Spacken, von denen sie tagtäglich umgeben sind. Solche Dinge färben ab.
Man kann das Problem mit den schlechten Schülern auch nur wirklich adäquat regeln, wenn man sie isoliert und in Lerngruppen setzt, in denen die vernünftigen Schüler überwiegen- nur gibt es die mittlerweile immer seltener, (gerade an Hauptschulen).
Mein eigener Jahrgang: Ca. 400, die zu den Aufnahmeprüfungen angetreten sind, nicht ganz 100, die sie geschafft haben, nicht einmal eineinhalb Dutzend, die schlußendlich den Abschluß gemacht haben. Kurz, ein 'widerwärtiges' Ausleseverfahren, das viele heutzutage zarten Kinderseelen (wie den von Angsthase so schön beschriebenen...) nicht mehr zumuten wollen.
Ich fürchte, dieses Ausleseverfahren ist die einzige Chance, etwas zu ändern. Und, ohne mch selbst zu sehr bauchpinseln zu wollen, müssten die heutigen Abiturienten all das in der Gänze wirklich eigenständig lernen, was ich für das Externenabitur mache- dann gäbe es vermutlich eine ähnliche Statistik wie die von Dir beschriebene. Aber das Abitur sollte man nun wirklich nicht jedem nachschmeißen, der es schafft, einen Satz zu formulieren, (und daran hapert es bei manchen auch schon, die das Attribut "liebes Mädchen" haben und deshalb die Prüfungen überleben).
Aber ich nehme an, Deinem Vater hätte es in meiner Schule mehr Spaß gemacht, zu unterrichten.
Wenn ich von Dir lese, daß fünf Schüler mit Grütze schon ein Segen sein sollen, dann denke ich mir, daß es vielleicht empfehlenswert wäre, Klassen danach zusammenzustellen, wie gut sie einen bestimmten Leistungslevel bringen.
Sicherlich hätte es ihm das. Er findet vor allem das Auswendiglernen und das Schleimen fürchterlich. Wenn er von den Schülern redet, mit denen er 1992 Abitur gemacht hat, dann wird er ganz euphorisch. Die Abiturklassen heute leiten ihn nur dazu an, Auszüge aus Arbeiten beim Abendessen zur allgemeinen Erheiterung vorzulesen.
Diese Profilbildung, wie es heißt, gibt es schon- leider viel zu spät und ineffektiv. Sie findet nach der 8. Klasse statt. D.h., dass die Kinder aus ihren alten Klassen herausgerissen werden und dann in eine normale oder in eine S-Klasse (wahrscheinlich steht das für Super, keine Ahnung *g*) verfrachtet werden. Dort ist die Qualität des Materials höher und besser. Bezeichnenderweise schaffen aus diesen S-Klassen auch nur ca. 2 bis 3 Schüler den FOR-Q (Qualifikation zur Oberstufe). In dieser Klasse sind auch dann häufig Leute, die dort nicht hingehören, weil man selbige ja voll besetzen muss- denn so eine "Förderung" bringt viel Publicity. Leider auch nicht viel mehr.
Okay, ich kann Deinem Argument ja folgen ... aber: Was ist mit den vorigen Generation von brachial erzogenen Briten, die der Welt immerhin einmal ein anderes Bild von 'very british' vermittelt haben, als sie es heute tun, wenn sie ihre heruntergekommene Insel verlassen?
Das gibt zu Denken, gelt? Hm... ich selbst lege größten Wert auf Höflichkeit ohne diese Erziehung und ich hätte sie beileibe nicht gerne genossen. Aus mir wäre danach wohl eher ein Jeffrey Dahmer geworden. Aber ich bin nicht das Maß dieser Dinge, ich kann mich nicht mit den meisten Schülern gleichsetzen. Vermutlich hat das eigentlich nicht ganz so unvernünftige antiauthoritäre System genau daran versagt- an dem Menschen...
So denn Bier, wem Bier gebührt. Aber wieso auf unsere Kosten? Was ich sagen will, ist, daß ich glaube, daß Du hier Recht hast: Manche treffen diese Entscheidung. Wozu überhaupt weitere Bildungsangebote an sie verschwenden?
Prinzipiell gebe ich Dir Recht, aber, vorausgesetzt wir verbleiben in dem realistischem System, was wird aus diesen Leuten? Mit Sicherheit werden sie niemals in der Lage sein, ihren Lebensunterhalt zu verdienen- auch nicht mit handwerklichen Dingen. Sie werden wieder dem Staat auf der Tasche liegen, die Steuern werden zwangsläufig erhöht, etc. Das scheint in unserem System nicht möglich zu sein. Aber Verantwortung war ja nie sehr modern...
Das denke ich auch: Daß es demokratiepolitische Gründe hat, daß ein derartiger Schwall von Schwachsinn akzeptiert wird. Für die Wirtschaft gilt: Non olet - aber weiter reichen ihre Interessen hier meiner Meinung nach nicht.
So lange man mit Simplifikationen manipulieren kann, werden sie ein fester Bestandteil sein. Und Hauptsache man liefert auf möglich schwachsinnige Art und Weise ein Feindbild, das der Menge das Gefühl gibt, dass man sie beschützen muss und sie in ihrem demokratischen Gefilde zufrieden bleibt. Die Wirtschaft schürt das nicht, natürlich, sie orientiert sich an dem Publikum- wäre das akademisch, dann wäre es auch die Werbung.