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Vorherige Beiträge 8

  • RE: Man entkommt dem Tribunal, indem man es wird.

    oriane

    Ja sicher, selbstgerechte Menschen müssen sich nicht wundern, wenn ihnen ihre eigene Moral eines Tages um die Ohren fliegt. Aber immer noch besser eine Moral als keine. Oder?

    Und wenn der Arzt aus dem Beispiel sich zu erkennen gibt als "Sünder", ist das doch okay. Ich meinte den Fall, er predigt ohne Droge in der Hand. Wie Grass halt.

    Paradoxes Intervenieren ist mein zweitliebstes Lieblingsthema. Es gehört allerdings etwas Fingerspitzengefühl dazu. Nicht immer ist man auf der sicheren Seite, wenn man jemandem, der sich umbringen will, seelenruhig erklärt: Tun sie es. Am besten gleich.
  • RE: Man entkommt dem Tribunal, indem man es wird.

    quigor

    Original von oriane
    Da lobe ich mir diesen Mathematiker aus Russland. Aktuelle ZEIT im Wissen. So als Gegenbeispiel. Um mal die Moral zu retten. :)

    Na, genau den habe ich doch gesucht und bin dabei über den Grass gestolpert. Ich mag die 'Zeit', immer was zum Schmökern dabei.

    Ja, die moralische Instanz, als die er sich so gerne sah, hat er verspielt. Das ist nicht zuletzt für die ZEIT ein Problem - dort war er sie auch.

    So ist das mit Moral und Mensch. Es wurde diskutiert, ob nur jemand moralisch daherkommen darf, der diese Kriterien selbst... Das ist schon eine schwere Frage, sie sieht nur scheinbar einfach aus. Aber ich denk schon, zumindest bei diesem speziellen Thema, da sollte dann schon die Basis für Wort-Tat-Übereinstimmung stehen.

    Das glaube ich gar nicht. Um bei Deinem Arzt-Beispiel zu bleiben: Ich denke schon, daß Du als Kettenraucher einem Patienten, der vom Herzinfarkt bedroht ist, oder dessen Lunge Zeichen der Kapitulation zeigt, erklären kannst, wieso es für ihn wirklich wichtig wäre, die Finger von den Glimmstengeln zu lassen. Allerdings erwarte ich mir dann etwas mehr Verständnis für das Problem des Patienten damit, als es Herr Grass jemals für jene gezeigt hat, die 'sich haben verführen lassen' - denn der Kerl war immer exzessiv selbstgerecht.
    Ich beispielsweise bin immer betont einfühlsam gegenüber den armen Opfern der Nikotinsucht: Wenn sie mich damit konfrontieren, daß sie mitnichten daran denken, auch nur zu versuchen, ihren Nikotinabusus einzuschränken, sehe ich sie ruhig lächelnd an und sage nachdenklich: "Mhm. Ja, wahrscheinlich haben sie recht. Für die paar Wochen lohnt sich das eigentlich wirklich nicht." :D Hat manchmal eine interessante paradoxe Wirkung.

    Satan soll ihn holen!

    Oh nein: Zur Strafe holt ihn Satan nicht! :P
  • RE: Man entkommt dem Tribunal, indem man es wird.

    quigor

    Original von Murkser
    schon mal n buch von ihm gelesen?

    Schon einmal seine Parolen gegen den Kapitalismus gehört?

    Original von LordSyn
    Warum interessiert es dich überhaupt, Quigor? Nur so mal nebenbei? *g*

    Weil er für mich den Inbegriff eines geifernden Moralapostels darstellt. Dessen 'message' inzwischen keine Sau mehr hören will (zu Recht :rolleyes: ), und der daher in seiner publicitiygeilen Not genau das vermarktet (und selbstverständlich mit der gewohnten Dramatik und Larmoyanz), wofür er andere gebrandmarkt hat.
    Kleine Leseprobe aus einer durchaus beeindruckten Kritig gefällig?
    zeit.de/2006/34/L-Grass
    "Grass gibt Rechenschaft, bohrend, brennend mit dem rotglühenden Eisen namens Erinnerung; rechtfertigen tut er nichts: »Um den Jungen und also mich zu entlasten, kann nicht einmal gesagt werden: Man hat uns verführt! Nein, wir haben uns, ich habe mich verführen lassen.« Grass schrubbt und schrubbt – aber keine Reinwaschung will ihm handhabbar sein; nur deutlicher wird sein Schandmal, das er uns vorzeigt – »mein Schweigen dröhnt mir, beim Häuten der Zwiebel, in den Ohren«."
    Rührend, äh?
  • RE: Man entkommt dem Tribunal, indem man es wird.

    oriane

    Oh quigor, Schnee von gestern... ;) Verzeih. Es ist hierzulande schon wieder Ruhe eingekehrt um diesen Blechtrommler.

    Ja, die moralische Instanz, als die er sich so gerne sah, hat er verspielt. Das ist nicht zuletzt für die ZEIT ein Problem - dort war er sie auch.

    So ist das mit Moral und Mensch. Es wurde diskutiert, ob nur jemand moralisch daherkommen darf, der diese Kriterien selbst... Das ist schon eine schwere Frage, sie sieht nur scheinbar einfach aus. Aber ich denk schon, zumindest bei diesem speziellen Thema, da sollte dann schon die Basis für Wort-Tat-Übereinstimmung stehen. Ist ja ein sensibleres Thema als der Arzt, der willentlich seinen Körper schädigt, nicht wahr nicht. :P

    Nein im Ernst, den Protest, den er erntet und angeblich nicht erwartet hat, erntet er zu Recht. Und die Hauptfrage steht ja: warum ist er nicht eher damit rausgerückt oder umgekehrt, warum jetzt (wenn man solange schweigt und moralisiert, dann sollte man wohl nicht, um andersherum wieder moralisch zu glänzen - seht her, wie einsichtig ich doch bin - irgendwann auspacken. Und dann noch so lauthals. Leiser wäre das wohl echter rübergekommen.

    So steht auf einmal der Verdacht der publicity für's neue Buch. Und das ist ja nun erst recht der Gipfel aller Moral. So ein Geschrei mit einer Enthüllung und dann, natürlich, wird das Buch der Renner. Ist es wohl schon. Pfuiteufel. Auch wenn ich den sonst nicht zu rate ziehe... Satan soll ihn holen! Dem Tribunal entkommt er jedenfalls nicht. Da steht er schon, der arme Tropf.


    Da lobe ich mir diesen Mathematiker aus Russland. Aktuelle ZEIT im Wissen. So als Gegenbeispiel. Um mal die Moral zu retten. :)
  • Also was der Herr Grass da gemacht hat, fand ich vor allem einfach nur lustig. Schlimm oder verwerflich? Nein, das kann ich nicht sagen. Marketing ist frei von Moralismen, selbst, wenn es Marketing für einen Moralisten ist!

    Nunja, in der Zeit des Nationalsozialismus war es nicht ungewöhnlich für Jugendliche und junge Männer bei der SS oder am Ende im Volkssturm zu sein. Das war einfach so. Da gebe ich dir, Quigor, auch völlig recht. Es macht nichts, dass es so war, denn so war die Zeit und ich denke, dass wir in der selben Situation kaum anders gehandelt hätten. Durch Propaganda und der vorherrschenden Normalität kann man die Leute von damals einfach nicht dafür verurteilen, dass sie so gehandelt haben.

    Ich denke also, dass es von Grass völlig in Ordnung ist, seine Vergangenheit als Werbemittel einzusetzen, denn sein neuestes Buch, so habe ich es zumindest verstanden, handelt ja auch ein Stück weit davon. Also ist es nicht einmal unpassend!

    Warum interessiert es dich überhaupt, Quigor? Nur so mal nebenbei? *g*
  • RE: Man entkommt dem Tribunal, indem man es wird.

    Sehtos

    Original von quigor
    das ist doch einfach geschmacklos!


    Aber sehr profitabel, wenn ich mich richtig an die Zahlen erinnere...

    Nein, im Ernst, ich schließe mich dir an...
  • RE: Man entkommt dem Tribunal, indem man es wird.

    Murkser

    Original von quigor
    Günter Grass - aufrechter Linker par excellence


    das will ich nicht gehört haben - schon mal n buch von ihm gelesen?

    blechtrommel - verniedlichung des Kriegs als erotischen Akt
    krebsgang - hochlob der volksgemeinschaft

    vielen dank auch
  • Man entkommt dem Tribunal, indem man es wird.

    quigor

    Ich bin vorhin gerade auf diesen wirklich hübschen Artikel in der Zeit gestoßen:
    zeit.de/2006/35/L-Taeter?page=all

    Günter Grass - aufrechter Linker par excellence und nie um die Verdammung der Konservativen verlegen - hat sich als SS-Burschi geoutet. Und um die Peinlichkeit voll zu machen, hat er das offenbar getan, um wieder mal ein paar Bücher verscherbeln zu können, muhaha!

    Aber damit noch nicht genug, hat er sich nicht entblödet, auch in den Interviews zur Rechtfertigung des kleinen ideologischen Mißgeschicks stramm bei seiner kämpferischen Haltung gegen das Bürgertum zu bleiben:
    Wie er mit Schwung das »Antibürgerliche« der Nazis herausstellt und die Faszination der »Volksgemeinschaft« schildert, in der »Klassenunterschiede oder religiöser Dünkel« keine vorherrschende Rolle mehr spielten, ..

    zeit.de/2006/34/Leiter-1-34

    Ich habe ja keinerlei Problem damit, daß ein Youngster zu dieser Zeit bei der SS war. Auch, daß er das danach nicht unbedingt an die große Glocke hängt, kann ich nachvollziehen.
    Aber zuerst den unbarmherzigen moralischen Scharfrichter bis zum Koterbrechen herauszuhängen, um später mit so einem 'Geständnis' noch mal schnell Kohle zu machen und ein letztesmal in der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu baden - das ist doch einfach geschmacklos!

    Wie seht ihr das?