Original von MoD3000
ad sexuelle Lust als Hindernis:
Ich finde nicht, dass das ein Feature der monotheistischen Religionen ist. Vielmehr moechte ich das auf alle Religionen ausdehnen und behaupten, dass hier eine gewisse Denkstruktur der Glaeubigen selbst verantwortlich ist. Du sagst selbst, christliche Mystiker, und ich moechte hinzufuegen nicht nur christliche, beschreiben durchaus "Vereinigungen". Das Problem hier, so stellt sich mir das manchmal vor, ein sprachliches. Da das erklaerte Ziel der monotheistischen Religionen die Vereinigung mit dem als "Reinem" definierten Gott ist, fehlt das Vokabular, eben diese Vereinigung in nicht sexuelle Worte zu kleiden. Hier ist klar der Versuch, die Ekstase in Worte zu fassen, die treibende Kraft.
Du magst schon Recht haben, das Prinzip auch großzügigst auf andere Religionen auszudehnen - ich bin da nicht so bewandert. Und es ist auch richtig, daß man diesen Zustand nicht wirklich so beschreiben kann, wie man ihn erlebt - dafür fehlen die Worte, und zwar nicht nur mir.
Aber für den rein körperlichen Anteil daran reichen die durchaus gängigen Begriffe Erektion (immer) und Orgasmus vom Ganzkörpertyp (oft) aus - ohne sich selbst in irgendeiner Form zu berühren. Und ich denke mir eigentlich, daß es anderen, auch den Christen, nicht anders dabei gegangen ist, daß sie es aber vorgezogen haben, diesen verbal sehr wohl vermittelbaren Teil ihrer Erfahrung lieber zu verschweigen. Was ich auch verstehen kann. Vor allem jetzt gerade.
Weil die Vereinigung mit einem immer noch dominant maennlich rezipierten Wesen ein klarer Verstoss gegen die eigenen Regeln ist. Die Ausrufung Jesu als "Vereinigt mit Gott", als "ein Fleisch und ein Blut" macht jedwede Annaeherung ueber diese Seite schwierig. Nicht umsonst sind die maennlichen Mystiker deshalb eher dem heiligen Geist zugewandt.
Exakt. Ein mentales Hindernis, das in meiner Religion mit ihrer männlich/weiblichen Gottheit durch vorurteilsfrei geübte Praxis überwunden werden soll. Auch dies möchte ich dem main-stream des Satanismus nicht unterstellen.
Dieses Phaenomen stellt sich in anderen Religionen jedoch nicht. Die Vereinigung mit einem koerperlosen Wesen, denken wir an Allah, ist problemlos moeglich. Jedoch ist das nicht ohne Gefahr, wie ich bereits frueher am Beispiel des Obergurus der Derwische deutlich machte.
Es tut mir leid, ich weiß nicht, worauf Du in diesem letzten Satz Bezug nimmst. Könntest Du es (offenbar noch einmal) erklären?
Im Hinduismus sieht man das ja ebenfalls locker, die "Besessenheit" durch einen Gott, also die Aufnahme in den eigenen Koerper (wenn auch teilweise unfreiwillig) ist durchaus akzeptiert. Das hat durchaus mit dem unverkrampften Umgang mit Goettern zu tun, die staerker in das Leben integriert werden. Macht also der christliche Mystiker einen Schritt auf sein Idealbild zu, kommen die Goetter in den asiatischen Religionen eher naeher an die Menschen heran. Der Tantrayana-Buddhismus geht ja sogar soweit, "Gott" lediglich als Inkarnationsstufe anzusehen (nicht als gute, bedenkt man, dass nur Menschen erleuchtet sein koennen).
Ersteres ist mir ja überaus sympathisch. Aber bei der buddhistischen Vorstellung, meinen schwarzen Gott als eine Art minderwertige Inkarnationsstufe zu sehen, sträubt sich mir in toto das Fell. Was für eine Idee!
Dann habe ich durchaus Glueck, mich auf die herrschende Religions- und Meinungsfreiheit berufen zu koennen. Sonst muesste ich tatsaechlich Einsiedler werden
Wir haben beide Glück, denke ich.
Deine Sicht der Dinge erinnert mich an etwas. Ich habe diese Lehre schon mal gelesen, war wahrscheinlich im grossen Religionsbuch (muss unbedingt mein Exemplar zurueckholen - immer noch an einen Pfarrer ausgeborgt). Ist deine Vorstellung des Menschen nun rein deskriptiv oder idealistisch?
Soweit ich verstanden habe, deskriptiv.
Normativ koennte ich damit nicht klarkommen. Manchmal komme ich mir in der Tat so vor, als wuerden wir in dieser Trinitaet in sehr geraeumigen, vllt. sogar vergoldeten Kaefigen herumstreifen. Manche haben sehr grosse Kaefige und realisieren gluecklicherweise ihre Einschraenkung gar nicht. Andere sind schnell zu Fuss und bemerken ihre Limitationen recht schnell - womit ich aber keine Wertung verbinde, ich bin selbst noch nicht an die Gitterstaebe einer der zwei fuer mich existenten Kaefige angestossen...
Ich bin mir nicht sicher, ob ich Dich richtig verstanden habe: Du meinst, daß Dein Eingehen ins Nirvana, meine Verschmelzung mit meinem Gott, das eigentlich erstrebenswerte Ziel darstellen?
Und was sind die zwei Käfige, die für Dich existieren?
Damit habe ich aber kein Problem. Ich skizzierte ja bereits meine Theorie: alle fuehlenden Wesen sind durch eine Art Aether verbunden, dessen Auswuechse sie sind. Du kannst dir das ruhig als Rad vorstellen - ein fluessiges Rad ist wahrscheinlich am Besten. Damit ist die Verbindung fuer mich immanent - wir sind schlicht nichts anderes. Zwar eine eigene Form, aber unser Material (deine koerperliche Ebene), geht mit unserem Tod wieder in den Pool zurueck. Da der Geist an den Koerper gebunden ist, zerfaellt er mit ihm. Eine Seele in diesem Sinne ist in diesem Modell ueberfluessig, weil wir quasi davon durchsetzt sind. Wir koennten uns vielleicht darauf einigen, diese Seele als Karma zu identifizieren. Dieses Konzept leuchtet mir insofern ein, als die lokale Stoerung des Rades ja auch nach deinem Tod nicht einfach im Nichts verschwinden kann. Sie verlaeuft und bildet den Teil einer neuen "Stoerung" - deine naechste Inkarnation.
*lach*, wenn Du aus Deinem flüssigen Rad wenigstens ein feuriges Rad machen könntest, könnte ich mich eher damit abfinden, Satan als Rad zu betrachten. Hingegen steige ich bei der Vorstellung, einen Teil Satans selbst als "Störung" zu bezeichnen, erst einmal komplett aus. Und auch die Sache mit dem Karma ist eher heikel: Ich habe zwar ebenfalls die Idee einer Art "Wiederverwertung", also das, was Du als die nächste Inkarnation bezeichnest, aber nicht als Belohnung oder Bestrafung, Aufarbeitung, Weiterentwicklung, was auch immer. Für mich ist das (so wie für Dich wohl auch) ein Vorgang ohne jegliches Bewußtsein seiner Selbst - aber auch ohne karmische Verflechtungen, die "mitgenommen" werden.
Dein Eingehen ins Nirvana, meine Verschmelzung mit dem Gott sind die Ausnahmefälle, und nur durch gezielte Anstrengung zu erreichen. Ich glaube, hier sind wir wieder d´accord.
Ich finde hier sind die Satanisten selbst zu bescheiden. Warum ein "Funke"? Mit Plato koennte man argumentieren, dass wir alle die "Idee" des ganzen Feuers in uns tragen. Wir muessen es lediglich realisieren. Was danach kommt, darueber scheiden sich die Geister wieder. Meiner Meinung nach fuehrt die totale Erkenntnis in das freiwillige Verloeschen, wahlweise auch die Kontrolle der eigenen "Stoerung".
Und wieder dieses seltsame Wort. Naja, das "Einswerden mit Gott" kann Dir mangels Gott einfach nicht gefallen.
Was die Bescheidenheit der Satanisten betrifft, habe ich das vielleicht einfach falsch dargestellt. Wenn also einer der anderen Satanisten bereit wäre, mich hier zu korrigieren - ich bitte darum.
Das Ziel aller meiner religiösen Praktiken ist die Vereinigung. Und Vereinigung ist lustvoll!
Das kann ich nicht nachvollziehen. Die Vereinigung mit der Leere ist genau ihre Quintessenz: leere.
Ich weiss, dass klingt grausam, aber das ist es nicht. Wenn du alles erreicht hast und auf dem Gipfel sagt: jetzt gehe ich, weil ich es kann und will. Das ist Groesse.
Yep, für mich klingt das grausam, keine Frage. Aber alles ist relativ, und ausgehend von Deinem Gesamtkonzept kann ich es nachvollziehen.
Die letztliche koerpliche Vereinigung sollte doch lediglich Ausdruck und nicht Grund sein. Wem immer dies gelingt: meinen herzlichen Glueckwunsch
Ja, in der ritualisierten Form geht das. Ich habe es aber absichtlich als heilig/unheilig bezeichnet, es ist etwas seltsam, weil Du den Akt (zumindest so, wie ich es kenne) letztendlich im Zustand der "Besessenheit" vollziehst.
Allerdings sind im Tantrayana natuerlich Praktiken eingeschmolzen worden, ueber die Buddhisten heute noch scharf nachdenken muessen. Die Einfuehrung von Goettern z.B. stammt afaik aus einer "Bereicherung" um die lokalen tibetischen Gepflogenheiten. Ein weiterer Streitpunkt in dem von dir zitierten Artikel ist ja durchaus die Macht des Guru: waehrend einige Buddhisten daran festhalten, die Erleuchtung sei spontan und jeder Reife werde sie erhalten (quasi als Geschenk an sich selbst), propagieren andere ein streng hierarchisches System. Ich persoenlich halte von beiden Wegen nicht viel und versuche sie zu verschmelzen. Die Spontanitaet vor allem der Erleuchtung Buddhas, ging ja bereits eine strenge Selbstdisziplin voraus. Daran anknuepfend akzeptiere ich gerne auch (Rat)Schlaege von Menschen, die dem selben Weg folgen. Allerdings sollte man hier das Primat des Verstandes abwaegen - war doch Buddha sehr darauf aus, dass seine Theorie nachvollziehbar war. Dabei ist allerdings ein Gleichgewicht mit den Emotionen zu halten - "man sieht nur mit dem Herzen gut" ist nicht voellig falsch (Saint Exupery macht sich hier unsterblich).
Und die tibetisch eingeführten Götter habt ihr dann gleich postwendend zu niedrigen Inkarnationsstufen degradiert? Ihr Buddhisten seid wirklich hemmungslos.
Aber Du selbst bist in Deiner Suche nach der Harmonie der Mitte absolut stimmig - dies ist bei Dir offenbar wirklich ein Konzept, das Du nicht nur bezüglich Literatur vertrittst.
Ich bin, however der Meinung, dass Tantra hier dem fundamentalen Fehler hinterherlaeuft, auf halber Strecke stehen zu bleiben. Die von dir genannten Elemente koennen durchaus tiefe Einsichten vermitteln, aber mir fehlt irgendwie das Absprungbrett zur Leere, zum Nirvana.
Verzeih mir, wenn das hier primitiv klingt, aber ich wußte nicht, daß Du dafür ein spezielles Absprungbrett brauchst - ich dachte eigentlich, Erleuchtung ist Erleuchtung.
Das stelle ich mir komisch vor, wenn ich noch ein drittes Standbein habe
Mit Verlaub, es macht zwar Spaß, aber "komisch" ist vielleicht doch nicht ganz die richtige Bezeichnung dafür. Und ja, ich meine es exakt so, wie Du es interpretiert hast. Aber daran wirst Du in der Zwischenzeit sowieso keinen Zweifel mehr haben.
Ich danke dir fuer den Beitrag und hoffe, nicht ganz hinter den Erwartungen an eine Antwort zurueckgeblieben zu sein.
Oh, nicht im geringsten, MoD!
Mir hat ja sofort geschwant, daß das nur desaströs enden kann, wenn ich mich darauf einlasse. So schön unbeobachtet hätten wir uns per PN unterhalten können. Oder glaubst Du wirklich und allen Ernstes, daß es hier viele gibt, die sich für die Bedeutung von "Lust und Liebe in der Religionspraxis" interessieren? Ha! Meinen Hals darauf - Spanner gibt´s mehr!