Ein ausgezeichnetes Thema. Theoretisch interessant und dabei von größter praktischer Relevanz in jedermanns Alltag.
Erstaunlich, daß noch niemand dazu Stellung genommen hat. FFF?
Bezeichnend finde ich es, daß das Problem der "mentalen Schubladen" von Dir angeschnitten wird, Physiker. Die Physik ist eine eher exakte Wissenschaft, hm?
Meiner Meinung nach hast Du keinerlei
moralische Probleme damit, Ansichten, Begriffe oder auch Menschen in Schubladen zu stecken - wie Du selbst sagst, ist das, was Dich dabei irritiert, die
Willkür, mit der dies geschieht, Du vermisst die klaren Kriterien, anhand derer Du ansonsten gewohnt bist, Deine Welt zu ordnen.
Tja, nicht alles in unserem Leben folgt den Regeln der exakten Wissenschaften..
Original von Ben
Das Thema sind mentale Schubladen. Sicher brauchen wir sie, um mit der Informationsflut, die auf uns einregnet, fertig zu werden und um überhaupt Entscheidungen treffen zu können.
Ja, wir wählen aus, was wir für charakteristisch, wesentlich halten und stufen den - durchaus vorhandenen - Rest der Information als nachrangig ein. Sowohl der Prozeß der Bewertung selbst als auch der Hierarchisierung der Kriterien, nach denen diese Bewertung erfolgt, sind prinzipiell zutiefst individuell, können und werden aber auch kollektiv vorgenommen, z.B. auf der Basis eines gesellschaftlichen Konsenses, der meist von den einzelnen Mitgliedern einer Gesellschaft bzw. Gruppe unreflektiert übernommen wird. Du siehst es ganz richtig, daß wir so die Basis schaffen, um weiterführende Entscheidungen zu treffen.
Andererseits verstümmeln wir damit auch irgendwie die Welt, die wir wahrnehmen.
Nein, wir "verstümmeln" die Welt nicht. Wir richten nur einen spot auf bestimmte Aspekte und belassen andere im Dunkel. Sie sind aber da - es steht uns frei, den spot unserer Aufmerksamkeit zu schwenken. Was wir spätestens in dem Moment tun werden, in dem sich herausstellt, daß unser bisher gewählter Ausschnitt der Realität nicht geeignet ist, von uns beobachtete Abläufe bzw. Phänomene zu erklären. Zumindest wäre diese Vorgangsweise dann äußerst empfehlenswert..
Wir machen die realen Menschen in unseren Köpfen zu einer Art Karikatur - ebenso, wie sie es in ihren eigenen Köpfen sind. Nur sind diese Karikaturen leider nicht deckungsgleich, was meiner Meinung nach ein Grund für viel Ärger und Streitereien ist.
An und für sich weise Worte - nur, *lach*, Du kleiner Frechdachs behauptest also frank und frei, daß Menschen von sich selbst ebenfalls eine stark reduzierte Sicht haben? Eine gewagte Aussage, ich glaube aber zu wissen, was Du meinst: Du sprichst vom Idealbild, das wir uns schaffen, nicht wahr? Und anhand dessen wir uns definieren können, als "erreicht" oder "ganz und gar unerreichbar - blutiger Versager". Jeder, für den zwischen diesen Polen nicht viel liegt, hat ein Problem - nicht nur wegen des Damoklesschwerts des drohenden vernichtenden Urteils, sondern auch, weil er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf eine umfassende Perzeption auch objektiver Realitäten verzichten muß.
Nehmen wir eine beliebige Religion als Beispiel... Tut er es jedoch, so steht er vor dem Problem, dass man von ihm implizit erwartet, dass er sich auch mit den letzten 0,1% der Religion noch identifiziert. Andernfalls wird er irgendwie "untrue".
Ja, nehmen wir Religion nur mal so als Beispiel...

Soweit ich es persönlich beobachten konnte, hast Du recht: Genau das erwartet "man". Und ich verzichte jetzt ausdrücklich darauf, das löbliche Gegenbeispiel des Satanismus mit seiner Betonung der Individualität anzuführen.
Gut, jemand erwartet etwas von Dir. Wo ist das Problem? Ich betrachte die Erwartungen anderer generell als mäßig interessant. Es ist gut, sie zu kennen, weil sie meist den Zugang für den Hebel der Manipulation darstellen - einen Anspruch auf Erfüllung sollte man daraus aber tunlichst nicht ableiten. "True" oder "untrue" zu sein, ist bei näherer Betrachtung "wayne", denn es hat nichts mit persönlicher Wirklichkeit zu tun.
Was ich aber bei jedem Menschen für unerlässlich halte, ist ein Bewusstsein, dass Schubladen nützliche Hilfsmittel und nicht die absolute Weisheit sind.
Absolut korrekt. Und doch - leider - so weit von der Realität entfernt. Das liegt an unserer Dummheit, Faulheit, Bequemlichkeit, Überheblichkeit. Und hält immer wieder äußerst unangenehme Überraschungen für uns bereit.
Das Problem, das ich mit Schubladen habe, ist, dass der Schnitt irgendwie willkürlich ist.
Genau, Ben, das ist meiner Meinung nach Dein zentrales Problem. Willkür magst Du nicht wirklich, zumindest nicht als Grundkonzept, sie ist der Einstieg in eine Welt der Unberechenbarkeit und Unsicherheit.
Wir könnten uns hier über die Unterschiede des Pfades der rechten und der linken Hand unterhalten. Aber bleiben wir lieber im säkularen Bereich: Ja, klar ist der Schnitt willkürlich - muß er ja sein. Mann, wer auch immer Dir Dein - gutes (!) - Hirn gegeben hat, hat es getan, damit Du damit Analysen durchführst, Dein eigenes Wertesystem erstellst, Deine eigene Hierarchisierung vornimmst - all das "willkürlich", nach Deinem Willen. Und in Deiner eigenen Verantwortung.
Jetzt friß endlich den Apfel vom Baum der Erkenntnis und verlass das falsche Paradies der vorgegebenen Regeln und Sicherheiten... und dann - und keine Sekunde vorher - sei willkommen am LHP!
Gehören nur die absoluten Anführer wirklich zur Szene dazu, oder vielleicht auch schon die, die größtenteils die Kriterien erfüllen oder vielleicht jeder, der dazugehören will?
*ROFL*, ich liebe Deine Hinterfotzigkeit! Aber übersehen wir einmal den kleinen Seitenhieb..

Ich setze meine Hoffnungen hier stark auf MoD3000 - die "fuzzy logic" ist das Gebiet der Informatik.
Ich kann hier nur das alte Beispiel mit der "intelligenten" Waschmaschine bringen: Die dümmste Hausfrau kapiert, daß eine einzige schwarze Socke in der Kochwäsche desaströse Folgen hat. Eine chipgesteuerte Waschmaschine hat damit ernste Probleme, wenn sie darauf programmiert wurde, ihr Waschprogramm nach prozentueller Verteilung zu wählen.. Man kann nun entweder die schwarze Socke entfernen - oder alles mit 30° waschen, letzteres hat den Nachteil, daß der Großteil der Kochwäsche ungenügend gesäubert wird. Ein typisches Beispiel für eine Nivellierung nach unten. Nachdem ich hier aber eigentlich keine Wertung über die Qualität abgeben will, stell Dir dieselbe Geschichte bitte statt mit der schwarzen Socke auch mit einem anthrazitfarbenen Seidenhemd vor.
Wäre ich nun ein Teil der Wäsche, würde ich doch darauf bestehen, daß nicht kochfeste Stücke zeitgerecht - also vor der Probe aufs Exempel - aussortiert werden, weil ein gemeinsamer Kochwaschgang keinem der Beteiligten gut tun wird.
Und darüber darfst Du jetzt nachdenken...
PS: FFF = Feige Faule Flaschen