Dankeschön Adlerauge.
Neue Antwort erstellen
Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen
Neu erstellte Beiträge unterliegen der Moderation und werden erst sichtbar, wenn sie durch einen Moderator geprüft und freigeschaltet wurden.
Die letzte Antwort auf dieses Thema liegt mehr als 365 Tage zurück. Das Thema ist womöglich bereits veraltet. Bitte erstellen Sie ggf. ein neues Thema.
Vorherige Beiträge 31
-
-
Liebe wasserpanther,
ich wünsche Dir viel Kraft und Mut, jetzt damit Deinen Weg zu gehen....
Die Punkte/Schritte die Dir quigor gepostet hat kann ich nur unterstreichen.
Das sind die wichtigen und notwendigen Stationen.
Bei Punkt vier kann es manchmal sein, dass sich gerade dadurch überraschend etwas ändert, weil die Erwartung, dass sich jemals etwas ändert, an die Person, wegfällt beim Durchlaufen. Das ist wohl dann eben "die Hoffnung die zuletzt stirbt".
Aber fest damit rechnen, dass es sich niemals ändert, muss man wohl, um ihn abschliessen und weitergehen zu können.
Du hast viel durchgemacht. Ich wünsche Dir wirklich viel Mut und Kraft.
Mit ganz herzlichen Grüssen, Adlerauge -
Danke für die Anteilnahme.
@ mea culpa
Ach, bei genauerer Betrachtung gönne ich den Ärzten ja die 160 € für dieses kleine Stückchen Papier, welches noch nicht einmal auf DIN A5 Format kommt und sich Totenschein nennt. Für einen Hausbesuch bei einer noch lebenden Person bekommen deutsche Ärzte ja gerademal 26 €, irgendwo muss doch der Ausgleich her. Und wenn an den Lebenden kaum was verdient wird, dann eben an den Toten. Die Mechaniker vom Servicedienst für die Waschmaschine kassieren auch locker 80 € pro Besuch, der dann maximal 10 Minuten dauert und in der Aussage endet, dass die Elektronik kaputt sei und sich eine Reperatur nicht lohnt. Und der Mechaniker hat ja noch nicht mal studiert.
Man muss halt alles in Relation sehen und bei genauerer Betrachtung komme ich zu dem Schluss, dass ich in der falschen Branche tätig bin. Ja wirklich, der Tod bringt's.
Da meine Oma nicht besonders begeistert von der Kirche war, hat mein Vater nun einen freien Redner engagiert. 20 Minuten Totenrede für 200 €. Gut, ein wenig Vorbereitung ist auch noch dabei und dann noch die Anfahrtskosten... aber summa sumarum, verglichen mit dem Vorbereitungsaufwand von Seminaren, ist es immernoch ein verdammt gutes Geschäft. Zumal die Trauergemeinde nicht so kritikfähig sein dürfte wie die üblichen Seminarteilnehmer. Mein Outfit dürfte auch farblich passen.
Der Orgelspieler verdient auch nicht schlecht, was wohl daran liegen mag, dass dies heutzutage eine aussterbende Spezies ist. Zum Glück ist meine Familie so feinfühlig, dass niemand von mir verlangt, für meine Oma zu spielen... immerhin habe ich als Kind Orgel gelernt, bevor ich auf's Klavier umgestiegen bin.
Aber der Hammer schlechthin ist der Preis für den Sarg. Meine Oma wird verbrannt, wollte sie so. Aber der "preiswerteste" Sarg kostet 450 Euro!!! Und ohne Sarg gibt es halt keine Verbrennung. Also ich bin bestimmt nicht geizig, aber 450 € für so einen einfachen unbehandelten Holzkasten, der gleich darauf verbrannt wird, halte ich für maßlos übertrieben. Warum gibt's eigentlich noch keine Särge bei Ikea, die machen doch sonst so viel mit unbehandelten Holz?? Würde aber wohl eh nichts bringen, denn welcher Trauernde fährt gegen den Willen des engagierten Bestattungsunternehmens zu Ikea und stürzt sich dort ins Getümmel? Aber nein, man kann mir nicht erzählen, dass solch ein Sarg viel aufwändiger in der Herstellung ist als so ein schnödes Ikea-Regal à 20 Euro. Reine Geldabzocke! 450 € klingt für mich verdächtig nach Preisabsprache. Aber bei den Kunden in der Bestattungsbranche ist wohl nicht mit viel Widerstand zu rechnen.
@ quigor
Deine gesamte Familie ist ohne Zweifel erleichtert, die alte Despotin endlich verscharren lassen zu können.
Ja und Nein. Es ist schon so, dass jeder erleichtert ist. Dennoch war sie für den ein oder anderen ein geliebter Mensch und für meine Familie ist es überwiegend die Erleichterung, dass sie nicht mehr leiden muss und NICHT die Erleichterung, dass sie weg ist.
Was wirklich traurig macht, ist die Art und Weise. Sie hat irgendwann einfach nicht mehr gewollt und hat sich völlig gehen lassen. Bis vor fünf Jahren war sie eine sehr charismatische Persönlichkeit und konnte denen gegenüber, die sie mochte, sehr charmant und großzügig sein. Auch war sie sehr reiselustig und kontaktfreudig. Sie verstand es, Menschen - allen voran Männer - um ihren kleinen Finger zu wickeln und in Gesellschaften stand sie stets im Mittelpunkt. Sie hatte die Austrahlung einer Diva und ihr war die Aufmerksamkeit der anderen gewiss, wenn sie einen Raum betrat. Sie war früher sehr sehr eitel und stets gut gepflegt (auch wenn sie sich kaum schminkte), doch dies war es nicht alleine. Sie gehörte zu jenen Menschen, die nicht richtig altern. Mit gut 70 Jahren ging sie noch locker als 50-jährige durch. Und dies ganz ohne Schönheits-OPs oder Spritzen.
Aber vor gut fünf Jahren ließ sie stark nach. Pflegte sich nicht mehr, wusch sich kaum noch die Haare und verließ immer seltener das Haus. Dazu kam noch, dass sie immer verbitterter wurde. Restaurantbesuche mir ihr wurden peinlich: Sie war zu einer stinkenden alten Fettel mit Schmalztopf auf dem Kopf mutiert, welche über Gott, die Welt und anwesende Restaurantbesucher lautstark lästerte. Wie kann ein einst so lebenslustiger und abenteuerlustiger Mensch auf einmal so verbittert und so voller Zorn sein? Jedenfalls ist sie ihre letzten paar Lebensjahre um Jahrzehnte gealtert.
Auch wenn in Deiner Familie ohne Zweifel ganz offene Spannungen zwischen Deiner Großmutter und Deinen Eltern geherrscht haben, wirst Du, Wapa, wahrscheinlich einen Akt der eindeutigen Loyalität zu Dir vermißt haben - denn der wäre gewesen, die liebe Frau Großmama empört hinauszuwerfen und jeglichen weiteren Kontakt mit ihr zu beenden. Aber wie ginge das denn auch: Schließlich ist sie die Mutter Deines Vaters...
Nein, mangelnde Loyalität kann ich meiner Familie eigentlich nicht vorwerfen. Meine Oma war nicht so dumm, die fiesen Dinge vor meinen Eltern zu sagen. Und wie Du schon geschrieben hast: Kinder nehmen so etwas persönlich. Und dies hatte zur Folge, dass ich meinen Eltern auch so gut wie gar nichts davon erzählt hatte. Dennoch kam es zu diversen offensichtlichen Ungerechtigkeiten meiner Oma bzw. Auswirkungen ihrer nicht-offensichtlichen Attacken, so dass meine Eltern auch zwischenzeitlich den Kontakt zu ihr abbrachen. Doch meine Oma ist nicht nur die Mutter meines Vaters, sie ist auch die Oma meiner älteren Schwester (und als Kinder klebten meine Schwester und ich ziemlich aneinander). Und meine Schwester vermisste die Oma sehr. Demnach waren meine Eltern auch in einer Zwickmühle und glaubten allzu gerne die Versprechungen meiner Oma, sich um beide Enkel zu bemühen und sich mir gegenüber anständig zu verhalten. Daraufhin wurden ihre Methoden halt subtiler und sie verzichtete auf die ganz harten Attacken. Jedenfalls kam es nach dieser Unterbrechung des Kontaktes nicht mehr zu Verhaltensauffälligkeiten meinerseits, so dass meine Eltern annehmen konnten, dass sich die Oma tatsächlich gebessert hatte.
Meine Schwester zeigte sogar mehr Loyalität als ich jemals von ihr erwartet hätte. Die heimlichen (Geld-) Geschenke, welche meine Oma ihr zusteckte, teilte sie stets mit mir. Doch irgendwann flog es auf, da ich trotz der Hinweise meiner älteren Schwester, dass Oma nicht will, dass ich mich bedanke, mich wohlerzogen für ein Geschenk bedankte, welches mir nie geschenkt wurde. Und es ging mir ja auch nie um das Geld an sich, dies gönnte ich meiner Schwester, es ging um die Geste. Aber dies konnte mir meine Schwester ja nicht geben.
Dass meine Oma mich bereits vor meiner Geburt nicht wollte, erfuhr ich erst als Teenager von meinen Eltern (war eine sehr unschöne Geschichte). Dies machte die Sache für mich wenigstens etwas einfacher, da ich mit dieser Information Omas Abneigung nicht mehr so sehr auf mich persönlich bezog. Dennoch nehme ich es zum Teil persönlich: "Selbst wenn jemand anfänglich gegen ein 2. Kind ist, so wird er dieses doch trotzdem gern haben, wenn es nicht völlig mißraten ist.", ist in meinen Gedanken. Meine Mutter hält dagegen, dass jemand der einmal bei Oma verschissen hat, niemals eine zweite Chance bekäme. Dies wäre auch längerfristigen Freunden von Oma so ergangen.
Auch war meine Familie so nett, sich mit mir auf einen zweideutigen Anzeigentext zu einigen:
"Wenn die Kraft zu Ende geht,
ist der Tod kein Sterben sondern Erlösung."
Ich würde in meinem Fall zwar nicht direkt von versiegender Kraft sprechen, aber ich finde den Text gut, da kann ich auch getrost meinen Namen drunter setzen ohne zu heucheln. Eine Erlösung - für wahr.
Hat sie sich eigentlich jemals entschuldigt bei Dir?
Nöö... wo kämen wir denn da hin?
Ich kann mich an ein einziges Mal erinnern, dass sie mir gegenüber etwas positives gesagt hatte. Sie meinte: "Du hast ja denselben Dickkopf wie ich.", da sie auf ihren Dickkopf recht stolz war, nehme ich dies mal als Kompliment. o.O.
1. akzeptieren, daß Du sie geliebt hast,
2. akzeptieren, daß sie Dich nicht geliebt hat,
3. den Schmerz akzeptieren, der für Dich daraus entstanden ist,
4. jegliche Hoffnung fahren lassen, dies könne sich jemals ändern, und
5. erkennen, daß dies weder Deine 'Schuld' war, noch irgendeine Bedeutung für Deinen Wert hat, und daher
6. keine Macht über Dich und Dein Leben hat.
Wie sagt man so schön? Die Hoffnung stirbt zuletzt. An Punkt 4 hänge ich seit einigen Jahren fest. Irgendwie habe ich immernoch darauf gehofft, als Enkelin von ihr voll angenommen zu werden und doch noch von ihr geliebt zu werden. Jetzt kann dies ja nichts mehr werden also kann ich nun endlich mit Punkt 4 weitermachen. Und in den letzten Wochen sind schon allerhand verdrängte Erlebnisse an die Oberfläche gekommen, die ich nun verdauen kann. Aber es gibt auch Dinge, an die komme ich einfach nicht dran. Vielleicht ist es auch besser so.
@ angsthase
Ja, jetzt verstehe ich.
Von meiner lieben aber kranken Oma konnte ich mich Schritt für Schritt verabschieden. Es war halt so, dass sie krank war, aber ich hatte von ihr so viel Liebe bekommen, wie sie geben konnte und das wußte ich. Daher funktionierte auch das schrittweise Distanzieren bzw. Akzeptieren, dass sie geht, relativ gut.
Dies ist nun etwas anderes. Ich habe immernoch - bis zuletzt - darauf gehofft, die Liebe zu bekommen, die mir stets verwehrt wurde. Daher fehlte mir auch die Distanz. Ich kann mir vorstellen, dass Dir dies mit Deiner Mutter so ähnlich erging.
wasserpanther -
Hi, Wapa!
Ich habe Deine Beiträge hier zu den letzten Tagen Deiner Großmutter und zu den Gefühlen, die dadurch in Dir reaktiviert wurden, erst heute gesehen.
Mit großem Vergnügen habe ich Deinen Beschreibungen ihrer letzten Wochen entnommen, daß die alte Dame zu jenen gehörte, die bereits bei lebendigem Leibe verfaulten - das erscheint mir in diesem Fall überaus angemessen. Auch daß ihr letztes Machtspielchen mit ihrem Sohn auf dieser schönen Erde sie nicht zu rauschendem Erfolg, sondern in die Grube geführt hat, ist ein sehr passendes Resultat.
Deine gesamte Familie ist ohne Zweifel erleichtert, die alte Despotin endlich verscharren lassen zu können.
Und genau diese Erleichterung, diese Freude über ihr Ableben, wird wahrscheinlich ein nagendes Gefühl von 'Schuld' mit sich bringen.
Original von wasserpanther
Ich war beim Klavierspiel aufgrund ihres nahen Todes so euphorisch und spürte einen Hauch von Freiheit, habe mich regelrecht in Trance gespielt.
Das kann ich Dir nachempfinden: Nie werde ich den Moment vergessen, als ich mit zehn erfahren habe, daß mein Großvater gestorben ist - es war ein Augenblick reinsten Glücksgefühls, als sich zehn Jahre Terror und erbitterter Kampf in nichts aufgelöst haben, und ich endlich, endlich frei war. Dankenswerterweise hat meine Umgebung (die Nachricht wurde mir in der Schule überbracht) meine wortlose Starre als Ergriffenheit ob der üblen Botschaft interpretiert - und ja, ich war ja auch ergriffen: Ich konnte mein Glück kaum fassen!
Ein berauschendes Gefühl, das ich nie vergessen werde.
Erst Jahre später habe ich begriffen, daß äußere Freiheit nicht automatisch auch innere Freiheit bedeutet.
Nur all die Jahre habe ich gelernt meine Emotionen ihr gegenüber zu unterdrücken, weil sie ja ein Familienmitglied ist.
Tja. Das eiserne Tabu. 'Du sollst Vater und Mutter ehren...' gehört nicht nur zu den zehn Geboten, es ist eine der best verankerten sozialen Regeln überhaupt. Die Familie ist 'heilig', Blutsbande und Respekt vor den Ahnen sind Asse, die sonstige soziale Regeln außer Kraft setzen. Dies sehen wir in der Jurisprudenz, in unseren eigenen Reaktionen auf Gewalttaten zwischen Familienangehörigen, und vor allem sehen wir es in der betretenen Akzeptanz der Gesellschaft gegenüber der allseits bekannten Tatsache, daß in den Rauchschwaden, die der auf den heiligen Familienaltären verbrannte Weihrauch hervorbringt, all jene Dinge stattfinden, die sonst gesellschaftlich inakzeptabel wären... und auf die jeder spucken würde.
Oder was glaubt ihr, wie solche Bemerkungen ankämen, wenn sie nicht im trauten Familienkreis gefallen wären:
Diese "Oma" hat mehrfach vor meiner Geburt gefordert, "Mach das weg!"
Diese "Oma" hat mir nach meiner Meningitis als Kind auf "Oma, stell dir vor, daran hätte ich sterben können" gesagt "Besser wär's gewesen."
Hübsch, nicht wahr?
Die Dame hat zuerst einmal ihr Bestes getan, um die Geburt eines Kindes zu verhindern, und nachdem ihr das nicht gelungen ist, hat sie auch noch ihrem Bedauern Ausdruck gegeben, daß dieses Kind nicht an einer Erkrankung gestorben ist. Und zwar hat sie das gegenüber dem Kind getan.
Wir wissen heute, daß es Kinder erstens eindeutig persönlich und zweitens überaus tragisch nehmen, wenn sie mitkriegen, daß ihre Existenz nicht erwünscht war bzw. ist. Das hat üble Folgen für ihre Entwicklung, es erschüttert ihr 'Grundvertrauen' gegenüber dem Leben.
Es mag schon einmal vorkommen, daß uns jemand vermittelt, er würde uns gerne im Leichenschauhaus sehen - aber seien wir ehrlich, wenn derjenige in dem Moment nicht gerade ein überaus überzeugendes Argument, wie beispielsweise 9 mm, in der Hand hat, geht uns das im Regelfall voll am Arsch vorbei und animiert uns höchstens zu der belustigten Feststellung, daß dem innigen Wunsche des Gegenübers nicht entsprochen werden wird - so ein Pech aber auch.
Wird ein solcher Todeswunsch - und etwas anderes war das bitte nicht: Omi hat gesagt, Wapa soll nicht leben dürfen, Wapa soll tot sein! - aber einem Kind von einem nahen Familienangehörigen übermittelt, dann ist diese Botschaft gifitig.
27 Jahre lang habe ich versucht, irgendwie mit ihr auszukommen. Aber ich hatte nie eine Chance.
Und hier liegt eine weitere Quelle dieses unzumutbaren Wahnsinns: Wer bitte würde uns zumuten, 27 Jahre lang gute Miene zum bösen Spiel zu machen und zu versuchen, mit jemandem auszukommen, der uns schlicht und ergreifend den Tod wünscht? Eine solche Idiotie ist nur im Familienrahmen denkbar.
Und führt mit Sicherheit zu einem schmutzigen Bezihungsgefüge: Omi will den Tod des Kindes. Das Kind darf aber trotzdem nicht 'böse' sein - denn erstens ist es schwächer als Omi (wer kann schon sagen, ob Omi nicht...), und zweitens könnten dann auch die anderen Familienmitglieder, die ja schließlich auch alle mit Omi in Beziehung stehen, beschließen, daß der Tod des Kindes eventuell doch keine so üble Lösung wäre... prachtvolle Aussichten für ein Kind.
Auch wenn in Deiner Familie ohne Zweifel ganz offene Spannungen zwischen Deiner Großmutter und Deinen Eltern geherrscht haben, wirst Du, Wapa, wahrscheinlich einen Akt der eindeutigen Loyalität zu Dir vermißt haben - denn der wäre gewesen, die liebe Frau Großmama empört hinauszuwerfen und jeglichen weiteren Kontakt mit ihr zu beenden. Aber wie ginge das denn auch: Schließlich ist sie die Mutter Deines Vaters...
Hat sie sich eigentlich jemals entschuldigt bei Dir?
Ich habe ein paar Jahre lang auf Biegen und Brechen versucht, ein einziges Mal von meinen Eltern zu hören, daß es ihnen Leid tut - no chance. Als ich sie wirklich einmal voll in die Ecke gedrängt hatte, und sie sich einfach stellen mußten, haben sie mir erklärt, daß sie die besten aller Eltern gewesen wären, die nur das Pech gehabt hätten, mit einem kleinen perversen und verlogenen Rabenbraten wie mir gestraft gewesen zu sein - worauf ich beschlossen habe, daß ihnen exakt dieses Pech weiterhin bleiben wird.
Eigentlich dachte ich, ich hätte mich in den letzten Jahren schon zu genüge von ihr distanziert - aber dies war wohl nur ein Wunsch. Ich bedaure, dass ich mich so zivilisiert ihr gegenüber verhalten habe, ...
Später kam dann erst die Wut, Wut auf alles Mögliche. Und diese innere Unruhe. Aber auch irgendwo ein Stückchen Liebe. Auch wenn sie mich nie geliebt haben sollte, ein Teil von mir hat sie bis zuletzt geliebt.
Das ist ja das wirklich Traurige an der Geschichte: Egal, was einem Kind von seinen Familienangehörigen angetan wird - das Kind liebt sie. Genau das ist die 'böse Macht' der Großen.
Ich erzähle Dir sicher nichts Neues, Wapa, wenn ich Dir sage, daß es nur einen einzigen Weg gibt, wirkliche Distanz zu gewinnen. Du mußt:
1. akzeptieren, daß Du sie geliebt hast,
2. akzeptieren, daß sie Dich nicht geliebt hat,
3. den Schmerz akzeptieren, der für Dich daraus entstanden ist,
4. jegliche Hoffnung fahren lassen, dies könne sich jemals ändern, und
5. erkennen, daß dies weder Deine 'Schuld' war, noch irgendeine Bedeutung für Deinen Wert hat, und daher
6. keine Macht über Dich und Dein Leben hat.
Sozusagen blöd gelaufen, aber was soll´s.
Solange die 'Anklage' nicht in ihrer vollen Härte formuliert wurde, halte ich jeden Versuch, zu 'verzeihen', für kontraproduktiv.
Ahnen, Blutsbande und vor allem die vielgerühmte kindliche 'Dankbarkeit' ( wenn ich das Wort in diesem Zusammenhang nur höre, wird mir schon schlecht) hin oder her.
Nun sage ich "Dieses Biest hat lange genug das Antlitz dieser Erde verpestet! Lasst sie verrecken!"
Auch, wenn Dir dieser Satz zwischenzeitlich vielleicht schon wieder eher peinlich sein sollte - mir hat er gut gefallen! -
Original von wasserpanther
Das Seniorenheim, in dem sie gerade erst seit drei Tagen war, wollte direkt wissen, welches Beerdigungsinstitut meine Familie beauftragt. Da der Arzt, der den Totenschein ausstellen sollte, nicht mit den Angehörigen in Kontakt treten wolle und seine Rechnung für den Totenschein über den Bestatter abwickeln würde und bevor er den Bestatter nicht wüßte, würde er nicht herauskommen, um den Totenschein auszustellen. Und ohne Totenschein könne der Leichnahm nicht ins Kühlshaus vom Friedhof - aber ohne Totenschein wäre die Leiche ins Kühlhaus des Krankenhauses nebenan gekommen. Wobei diese auch ungerne Leichen ohne Totenschein lagern, aber dafür hätte dann wohl dort ein Arzt noch mal drüber geschaut, um zu schauen, ob die Leiche denn ins Krankenhauskühlhaus dürfte.
Das ist wirklich traurig. Und irgendwie weiß ich auch nicht, was ich dazu schreiben soll.
Da gibt es sicher Einiges, aber im Moment kann ich dazu nichts Gescheites sagen außer, dass es ein Armutszeugnis ist.
Wasserpanther, ich hoffe, dass du diese Zeit gut überstehst.
Und auch, dass du deine Großmutter irgendwann auf eine andere Weise wahrnehmen kannst und den Zorn nicht mehr spürst.
Auch von mir mein Beileid bzw. der Wunsch, dass du erfolgreich den Tod deiner Großmutter verarbeitest. -
@Wapa
Erst mal mein Beileid, auch wenn das jetzt hier ziemlich blöd klingt.
Ich wünsch dir auf jeden Fall die Kraft damit klarzukommen.
Original von wasserpanther
Und was noch viel erschreckender ist: ich dachte, ich hätte mich meilenweit von ihr distanziert und muss nun feststellen, dass dies nur eine Illusion war.
Genau! Aber es wird besser. -
Meine Großmutter ist von Donnerstag verstorben.
Es war ein komisches Gefühl, als ich Donnerstagabend erfuhr, dass sie kurz zuvor verstorben sei. Es war so ein Punkt, an dem war erst mal Ende. Ein Innehalten. Nichts weiter tun. Teekochen, hören wie das Wasser kocht, zusehen, wie sich das Wasser langsam in Tee verfärbt, dem Dampf zusehen... in meinem Kopf war es zum ersten Mal seit langem still. Einfach nur wahrnehmen.
Später kam dann erst die Wut, Wut auf alles Mögliche. Und diese innere Unruhe. Aber auch irgendwo ein Stückchen Liebe. Auch wenn sie mich nie geliebt haben sollte, ein Teil von mir hat sie bis zuletzt geliebt. Hach, diese unsägliche Unruhe. Und nicht wissen wohin damit.
Und dann diese Arzt-Kühlhaus-Geschichte.
Das Seniorenheim, in dem sie gerade erst seit drei Tagen war, wollte direkt wissen, welches Beerdigungsinstitut meine Familie beauftragt. Da der Arzt, der den Totenschein ausstellen sollte, nicht mit den Angehörigen in Kontakt treten wolle und seine Rechnung für den Totenschein über den Bestatter abwickeln würde und bevor er den Bestatter nicht wüßte, würde er nicht herauskommen, um den Totenschein auszustellen. Und ohne Totenschein könne der Leichnahm nicht ins Kühlshaus vom Friedhof - aber ohne Totenschein wäre die Leiche ins Kühlhaus des Krankenhauses nebenan gekommen. Wobei diese auch ungerne Leichen ohne Totenschein lagern, aber dafür hätte dann wohl dort ein Arzt noch mal drüber geschaut, um zu schauen, ob die Leiche denn ins Krankenhauskühlhaus dürfte. Ich muss dies jetzt nicht verstehen, oder?
Auch egal. Ich bin zur Zeit eh nicht so recht konzentriert. Konnte die letzte Nacht auch kaum schlafen und habe heute promt die Hälfte meiner Unterlagen zu Hause gelassen als ich den Termin bei meiner Steuerberaterin hatte. Dafür habe ich mich davor noch für einen größeren Auftrag beworben. Mit diesem Auftrag würde ich durch eine Woche Schufterei genügend Gewinn für einen Monat einstreichen und hätte endlich mal Luft, mich um alles Liegengebliebene zu kümmern und etwas auszuspannen. Ist anscheinend auch ganz gut gelaufen, doch ich Dösbaddel habe vergessen mir den Namen meiner Ansprechpartnerin zu merken oder zu notieren und bin mit den Auftraggebern so verblieben, dass ich mich nächste Wochen noch mal bei ihr melde.
Aber vielleicht wäre es auch pietätslos einen halben Tag nach dem Tod eines Familienmitgliedes ein größeres Geschäft an Land zu ziehen?
Irgendwie ist es komisch, so einfach weiterzumachen. Und in Phasen wie dieser sehne ich mich nach einem stupfsinnigen Angestelltenverhältnis. Einfach X nach Schema F bearbeiten und sich abends über Vorgesetzte und die Scheiß Wirtschaft aufregen. Nicht zich Entscheidungen an einem Tag treffen und die Konsequenzen dafür voll tragen. Hach wie schön ist doch das bürgerliche Gesetzbuch: Z.B. bis 2 Wochen nach Vertragsabschluss kann man da noch alles widerrufen. Schade, dass BGB gibt's nicht mehr für mich. Vertrag ist Vertrag. Dies ist wohl der Preis für die Freiheit. *Ächts*
Ich hab derzeit einfach Null Bock, irgendeine Entscheidung zu treffen. Ich will einfach nicht. Aber keine Entscheidung ist ja auch eine. Also weiter schwimmen. Ist wohl meine Art der Trauer, überhaupt nicht mehr in der Stimmung für Entscheidungen zu sein. Ich glaube, für Fließbandarbeit wäre ich jetzt ausgezeichnet zu gebrauchen.
@ fletcher
Und ja, sie ist auch eine Ahnin. Ich denke, durch sie habe ich auch einiges gelernt, nur eben vieles zu einer Zeit, wo es mir zu viel war. Danken kann ich ihr dafür aber (noch?) nicht.
@ angsthase
Danke, für Deine Wünsche. Ja, das langsame Sterben ist vorbei. Das alte Gefühle aufarbeiten hat leider erst begonnen.
@ lord syn
Tja. Mein Problem ist nicht, dass ich keine Gefühle für besagte Oma hatte. Mein Problem ist, dass die Gefühle sehr intensiv waren, jedoch stark von Hass und Zorn bestimmt. Und nun fehlt das Ziel. So ein "Feind" in den eigenen Reihen, kann auch zu einem Sockel des Bildes werden, welches man von sich und der Welt hat. Und mir ist gerade solch ein Sockel weggebrochen. Und was noch viel erschreckender ist: ich dachte, ich hätte mich meilenweit von ihr distanziert und muss nun feststellen, dass dies nur eine Illusion war.
wasserpanther -
und genau deswegen find ich diese dont's einfach unsinnig... völlig weltfremd. echte trauer ist ein tiefes gefühl, und tiefe gefühle lassen sich nicht erzwingen...
-
Stimmt @ beckymaus. Es geht vordergründig nicht um die gestorbene Person, sondern um einen selbst. Und genau das macht es schwer. Ich vermute da u.a. kulturelle Gründe. Man hat eben zu bestimmten Situationen bestimmte Gefühle zu haben. Man hat eben die eigene Befindlichkeit, Verwirrung dem Umstand, dass Mama, Papa, wasweißich gestorben ist unterzuordnen. Man hat nicht ins Grab zu spucken, auch wenn das für den Augenblick sehr viel helfen würde.
Diese Don'ts machen es sehr schwer, sich die eigenen Gefühle überhaupt einzugestehen, gar deren Berechtigung zu akzeptieren. Und selbst wenn man das dann für sich selbst geklärt hat, steht man vor der Frage: wo schicke ich sie denn jetzt hin, diese Gefühle? -
stimmt, das kann verwirrend sein. aber ich meinte eher die trauer um den menschen selber. das man auch über solche aspekte trauern kann ist logisch, aber da geht es doch nicht um die verstorbene person selber...